Tagesspiegel: Teurer Stoff

Eine Presseschau mit Fabio De Masi

31.08.2020

Tagesspiegel: Teurer Stoff, 31.08.2020, S.13

 

"Die Summe, die für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und vor allem die Steuerzahler wegen eines verunglückten Beschaffungsverfahrens für Atemschutzmasken auf dem Spiel steht, ist nach Recherchen von Tagesspiegel Background deutlich höher als die bislang kolportierten 400 Millionen Euro. Demnach liegt allein das Volumen der zwei größten Fälle, die bald zusätzlich vor Gericht landen könnten, bei insgesamt 158 Millionen Euro. (...)

Aus einer dem Tagesspiegel Background vorliegenden Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Fraktionsvizes Fabio De Masi geht zudem hervor, dass EY auch schon von anderen Ministerien im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ohne Ausschreibung engagiert wurde. Die Kosten dafür werden als "Verschlusssache" behandelt. Beim "selbst verschuldeten Schutzmasken-Chaos", sagt De Masi, werde der Staat gerade zur "fetten Beute für die Interessen großer Beratungskonzerne". (...)

Nickel reichte beim Ministerium die nächste Verfahrensrüge ein: Es geht dabei um die Ausschreibung des BMG, mit der neue Beratungsleistungen im Open-House- und anderen Maskenbeschaffungsverfahren eingekauft werden sollen. 

Seine Verfahrensrüge - die, wird sie erwartungsgemäß vom BMG abgelehnt, dann in einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer münden würde - begründet Nickel dabei mit dem Mindestumsatz, der in der Ausschreibung vom BMG angegeben wird. Demnach müssen Bewerber in den zurückliegenden drei Geschäftsjahren mindestens einen Umsatz von jeweils netto 35 Millionen Euro erzielt haben. Der Mittelstand würde damit faktisch ausgeschlossen, moniert Nickel. Das neue Vergabeverfahren, sagt der Anwalt, "scheint eindeutig auf Großkanzleien und damit EY zugeschnitten" zu sein. 

Das Ministerium widerspricht Nickel. Der Mindestumsatz solle sicherstellen, erklärt ein Sprecher auf Anfrage, dass ein "Auftragnehmer später auch in der Lage ist, diesen zu erbringen". Laut Vergabeordnung könne dieser Mindestumsatz das Zweifache des geschätzten Jahresauftragswerts betragen. Zu der Frage, ob sich EY erneut bewerben werde, könne man "keine Angaben machen", so das BMG. 

Für den Linken-Politiker De Masi ist klar, dass "Kriterien wie ein Jahresumsatz von 35 Millionen Euro die großen Beratungsunternehmen begünstigen" und die "Marktmacht" der sogenannten Big Four stärken. Ein Zustand, der unter anderem auch von der SPD beklagt wird. 

Aus der Antwort auf De Masis Kleine Anfrage geht jedenfalls hervor, dass EY während der Pandemie nicht nur vom BMG bei der Open-House-Angelegenheit ohne Ausschreibung beauftragt wurde, sondern auch vom Bundeswirtschaftsministerium, und zwar zu einer "Nachfrageschätzung Schutzausrüstung". (...)"