Welt: Teure Beratung beim Schutzmaskenkauf – ohne Ausschreibung

Das Bundesgesundheitsministerium hat sich die Unternehmensberatung Ernst & Young ins Haus geholt, weil ihm der zentrale Maskeneinkauf über den Kopf wuchs. Es zahlt der Firma fast zehn Millionen Euro. Eine offizielle Ausschreibung gab es jedoch nicht.

23.07.2020

Welt: Teure Beratung beim Schutzmaskenkauf – ohne Ausschreibung

"Beim zentralen Schutzmaskeneinkauf der Bundesregierung gab es in den vergangenen Monaten Anlaufschwierigkeiten und Pannen: Erst wechselte das Bundesgesundheitsministerium mehrmals die verantwortlichen Stellen für die Beschaffung aus, dann verschwanden Lieferungen von Flughäfen – und schließlich, als es Lieferzusagen über rund zwei Milliarden Masken aus China und anderen Ländern gab, war das Ministerium derart überwältigt von der Masse der Angebote, dass man mit deren Qualitätsprüfung kaum noch nachkam.  

Ein gigantisches Einkaufsverfahren mit vielen Tücken also – und nun wird ein weiteres pikantes Detail bekannt: Um die Masse an Angeboten von Masken und anderen Schutzmaterialien in den Griff zu bekommen, holte sich das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte April die Unternehmensberatung Ernst & Young ins Haus. Weil es schnell gehen musste, geschah die Beauftragung jedoch im Hauruck-Verfahren und ohne Ausschreibung.  

Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion hervor, die WELT vorab vorliegt. Aus der Antwort geht auch hervor, in welchem Umfang die Beratungsfirma derzeit im Ministerium tätig ist. Ernst & Young rückte mit bislang 112 Beratern dort an.

Sie haben dort mittlerweile die Organisation der Qualitätsprüfungs- und Logistikprozesse, die Prüfung von Verträgen und die Begleichung von Rechnungen übernommen. Für die Unternehmensberatung ist der Auftrag lukrativ: Sie wird der Antwort der Bundesregierung zufolge damit insgesamt 9,5 Millionen Euro einnehmen.

Dass das Ministerium die Berater ohne Ausschreibung beauftragte, hält der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Fabio De Masi, für problematisch. „Millionenschwere Aufträge ohne Ausschreibung mögen in der Corona-Krise wegen der Defizite im nationalen Katastrophenschutz nachvollziehbar sein. Die Situation darf aber nicht zu Vetternwirtschaft führen“, sagte De Masi gegenüber WELT. Nicht erst seit dem Wirecard-Skandal stünden große Wirtschaftsprüfer wie Ernst & Young aufgrund ihrer Marktmacht und wegen Interessenkonflikten in der Kritik.

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage hatte die Bundesregierung erklärt, das Vergaberecht habe es erlaubt, den Auftrag ohne Ausschreibung zu vergeben, weil man dringlich und zwingend auf Corona-Pandemie habe reagieren müssen. Das Gesundheitsministerium verfüge nicht über die Kapazitäten, derart umfangreiche Einkaufsverfahren zu organisieren. (...)

Aus dem Antwortschreiben der Regierung geht noch ein Detail über ihre Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma hervor, das die Linke-Bundestagsfraktion aufhorchen lässt. Demnach hat die Regierung nicht nur in diesem Fall Ernst & Young ohne Ausschreibung einen Auftrag erteilt, sondern seit Anfang 2015 in insgesamt drei Fällen. Um welche weiteren Aufträge es sich dabei handelte, teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht mit. Linken-Politiker De Masi fordert, die Regierung solle diese Auftragsvergaben erläutern. (...)"