Kein Rabatt für Cum/Cum-Abzocke!

Cum/Cum-Gestaltungen haben in Deutschland laut Berechnungen von Experten einen Schaden von knapp 25 Milliarden Euro angerichtet. Anders als Cum/Ex-Geschäfte werden die Fälle nicht als Straftaten, sondern lediglich als Steuergestaltungen ermittelt.

14.08.2019
Fabio De Masi

Die Landesfinanzbehörden haben bisher 104 Fälle aufgegriffen. Trotz der möglichweise immensen Schäden für die Allgemeinheit verfügt die Bundesregierung über keinen Überblick im Rahmen der laufenden Ermittlungen hinsichtlich Steuerausfälle oder möglicher Verjährungen. Das zeigen die Antworten der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage von Fabio De Masi. Auch geht das Finanzministerium davon aus, dass Cum/Cum-Geschäfte in Deutschland nicht mehr möglich seien, obwohl Experten dies anders einschätzen.

Die Bankenaufsicht BaFin verfügt über Daten einzelner Institute, die Rückstellungen in Höhe von 273 Millionen Euro wegen möglicher Straf- und Steuernachzahlungen vorgenommen haben. Insgesamt schätzt die Aufsicht die Gesamtkosten aus Cum/Cum-Geschäften für den Finanzsektor in Deutschland auf 610 Millionen Euro – eine hohe Summe für teilweise beteiligte kleine Institute, aber nur ein Bruchteil des vermuteten Gesamtschadens. Betroffen sind im erheblichen Maß auch öffentlich-rechtliche Banken. Dies steht in eklatantem Widerspruch zu deren gesetzlicher Gemeinwohl-Orientierung.

Ein systematischer Austausch zwischen Finanzaufsicht und Steuerbehörden findet bei der Cum/Cum-Aufarbeitung nicht statt. Die Möglichkeiten der BaFin, bei der Aufdeckung von Steuertricks zu unterstützen, werden somit weiter unzureichend genutzt.

Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, kommentiert:

„Cum/Cum-Geschäfte haben uns fast 25 Milliarden Euro gekostet. Davon werden offenbar nur 5 Prozent durch die Finanzverwaltung zurückgefordert. Besonders erschreckend ist die überdurchschnittliche Beteiligung von öffentlichen Instituten, die sich nicht mit deren Auftrag zur Unterstützung des Allgemeinwohls verträgt. Es darf keinen Rabatt für Cum-Cum Abzocke geben. Trotz Zuständigkeit der Länder muss der Finanzminister bei so immensen Steuerschäden aktiv werden. Der Bund braucht Kenntnis über die Datenlage statt Blindflug. Die BaFin muss endlich umfassend mit den Finanz­verwaltungen kooperieren. Dafür sind die nötigen Rechtsgrundlagen zu schaffen. Auch brauchen die Länder hinreichend Ressourcen, um alle Fälle aufzuklären, notfalls durch Unterstützung der Bundesebene.“

 

Ergebnisse im Einzelnen:

  • Nach Angaben der Länder und des BZSt wurden Stand März 2019 104 Cum/Cum-Fälle aufgegriffen (Antwort 1). Diese betreffen insbesondere NRW (40 Fälle), Hessen (14), BaWü (11) und Hamburg (10) (Antwort 4).
  • Der Bundesregierung hat keine Kenntnisse über den steuerlichen Schaden aus Cum/Cum-Geschäften (Antwort 9), über mögliche Verjährungen (Antwort 10) und über Steuerausfälle oder Verdachtszahlen im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen via weitergeleiteter/strukturierter Wertpapierleihe (Antwort 12).
  • Nach Erkenntnissen der BaFin gibt es derzeit 61 Verdachtsfälle bei Banken: 22 öffentlich-rechtliche Institute, 21 Genossenschaftsbanken und 18 sonstige Institute (Antwort 2).
  • Aktuell haben 18 Institute Rückstellungen i.H.v. 273 Millionen Euro vorgenommen. Weitere Institute haben bereits Straf- und Steuernachzahlungen geleistet. Der größte Anteil i.H.v. 157 Millionen Euro entfällt dabei auf Institute in Hessen, gefolgt von Bayern mit 62 Millionen Euro. 138 Millionen Euro entfallen auf Privatbanken, 107 Millionen Euro auf öffentlich-rechtliche Banken und 28 Millionen Euro auf Genossenschaften (Antwort 5).
  • Eine Gefährdung deutscher Institute durch etwaige Straf- und Steuernachzahlungen wird weiterhin ausgeschlossen (Antwort 6).
  • Hinsichtlich der Aufarbeitung der Cum/Cum-Geschäfte durch die Finanzbehörden verfügt die Bundesregierung über keine Informationen zu Forderungen seitens der Behörden, tatsächlich erfolgten Steuernach- oder -rückzahlungen bzw. anhängigen oder beschiedenen Gerichtsverfahren (Antwort 7).
  • Der Austausch zwischen BaFin und Finanzverwaltung bei der Aufarbeitung der Cum/Cum-Geschäfte ist weiterhin gering. Nach Kreditwesengesetz darf die BaFin nur im Fall von Strafermittlungsverfahren Informationen an die Finanzverwaltung geben. Da die Geschäfte durch die Bundesregierung allerdings als Gestaltungsmissbrauch eingeordnet wurden, finden keine solchen strafrechtlichen Ermittlungen statt und mithin auch kein Informationsaustausch (Antwort 8).
  • Die Bundesregierung geht weiter davon aus, dass Cum/Cum-Gestaltungen in Deutschland nicht mehr möglich sind (Antwort 11).

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