Spiegel: Globale Steuerpolitik – Wo Deutschland plötzlich Entwicklungsland ist

Eine Presseschau zum Linksfraktion-Fachgespräch im Deutschen Bundestag

18.04.2019

Spiegel: Globale Steuerpolitik – Wo Deutschland plötzlich Entwicklungsland ist

"Ausländische Konzerne verdienen bei uns Milliarden, von denen wir kaum etwas abbekommen: Diese Erfahrung von Entwicklungsländern machen neuerdings auch die Europäer mit US-Digitalkonzernen. Bilden sich nun neue Allianzen? 

Angola, Äthiopien, Botswana, Jordanien, Kolumbien, Nigeria und Senegal: Sie alle schickten Diplomaten, als die Linke kürzlich zu einem Fachgespräch in den Bundestag lud. Die Länder eint, dass sie derzeit mit Deutschland über Steuerabkommen verhandeln. Und Martin Hearson, Ökonom an der London School of Economics (LSE), machte ihnen Mut.

"Sie haben neue Verbündete", sagte Hearson in Richtung der Entwicklungs- und Schwellenländer. Diese sind es gewohnt, dass westliche Konzerne ihre Rohstoffvorkommen ausbeuten - oft, ohne dabei viel Geld im Land zu lassen. Nun aber befänden sich Deutschland, Frankreich oder Großbritannien in einer ähnlichen Lage, so Hearson. "Der Rohstoff sind Daten."

Der Ärger über Facebook, Google oder Amazon hat Bewegung in die internationale Steuerpolitik gebracht. Die US-Konzerne verdienen Milliarden, verteilen diese aber geschickt über die Welt. Dadurch liegen ihre Steuerquoten zum Teil im Nachkommabereich. Den Digitalriesen hilft dabei, dass ihre Geschäfte kaum noch an Fabriken, Läden oder Büros in einzelnen Ländern geknüpft sind. (...)

Kämpfen die Europäer jetzt also für ein neues System, das Steuereinnahmen anders in der Welt verteilt? Le Maires Amtskollegen in Afrika, Asien oder Lateinamerika könnten bei seinen Worten jedenfalls aufhorchen. Denn bisher haben die EU-Länder selbst ziemlich effektiv verhindert, dass ihre Konzerne größere Summen im Ausland lassen.

Zu diesem Ergebnis kam Hearson nach einer Untersuchung von 519 Doppelbesteuerungsabkommen im Auftrag der Linken-Fraktion im Europaparlament. Mit solchen Verträgen regeln Staaten, wann sie Geschäfte ausländischer Unternehmen auf ihrem Territorium besteuern dürfen. Wie viel Geld bleibt beispielsweise in Botswana, wenn ein westlicher Konzern dort Diamanten schürft? Das hängt unter anderem davon ab, wann das Land eigene Quellensteuern erheben darf. Oder nach wie vielen Monaten im Land ein Konzern eine eigene Betriebsstätte gründen muss."