Olaf Scholz lügt – deshalb stelle ich Strafanzeige gegen den Bundeskanzler

Kolumne Berliner Zeitung

30.08.2023
Imago/Ipon

Die Kolumne erschien bei der Berliner Zeitung

Während meiner Zeit im Deutschen Bundestag trieb ich die Aufklärung der Warburg-Affäre voran. Im Frühjahr habe ich in einem umfangreichen Dossier der Berliner Zeitung die Widersprüche des Bundeskanzlers offengelegt.

Nun kann ich anhand neuer, erdrückender Belege nachzeichnen, dass die Aussagen von Olaf Scholz vor einem Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft sowie die Angaben seines Regierungssprechers unwahr sind.

Ich habe daher Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hamburg erstattet. Die der grünen Justizsenatorin Anna Gallina unterstellte Staatsanwaltschaft Hamburg hat in der Vergangenheit immer nur gebremsten Ermittlungseifer in der Warburg-Affäre und bei Cum-Ex-Geschäften Hamburger Banken an den Tag gelegt. Der renommierte Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate warf der Hamburger Staatsanwaltschaft daher sogar Strafvereitelung vor. Doch die Belege sind so erdrückend, dass ich gespannt bin, wie die Staatsanwaltschaft diesmal den Bundeskanzler verschonen will.

Cum-Ex-Geschäfte: die Erinnerungslücken des Kanzlers

Scholz behauptet, dass er sich an drei Treffen mit Bankiers zu Steuerrückforderungen aus kriminellen Cum-Ex-Geschäften nicht mehr erinnere, die über Tagebücher des Warburg-Bankiers Christian Olearius öffentlich wurden. Es kann jetzt jedoch gestützt auf schriftliche Dokumente als gesichert gelten, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, mit dieser Aussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Warburg-Affäre gelogen hat. Die Lüge vor einem Untersuchungsausschuss ist wie eine Lüge vor Gericht eine Straftat. Ebenso hat Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Öffentlichkeit in Absprache mit Herrn Scholz mehrfach getäuscht. Die 70 Prozent der Bevölkerung, die laut Umfragen Scholz in der Warburg-Affäre nicht glauben, haben somit recht.

Das Problem war bisher immer: Eine Erinnerung lässt sich ohne schriftliche Beweise schwerlich nachweisen. Der Kopf des Kanzlers lässt sich nicht aufschrauben. Die Erinnerungslücke ist daher eine beliebte Formel von Politikern. So sind sie nicht gezwungen, mit einer konkreten Aussage nachweisbar zu lügen. Und vergessen wir nicht alle einmal etwas? Herr Scholz konnte sich etwa vor der Sommerpause in einer Pressekonferenz erinnern, dass er vor über 40 Jahren das letzte Mal in Rahlstedt-Großlohe im Freibad war. Aber an mehrfache vertrauliche Treffen mit einem einflussreichen Hamburger Bankier, gegen den wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde, will sich der Kanzler partout nicht erinnern? Das war schon immer unglaubwürdig.

Nun lässt sich aber ein konkreter Beweis erbringen – ganz ohne den Kopf des Kanzlers aufzuschrauben. Denn Scholz hat ein Treffen unter Berufung auf seinen Kalender bestätigt, das gar nicht mehr in seinem Kalender stand. Er muss sich daher daran erinnert haben. In eine unwahre Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage war Scholz bzw. sein engstes Umfeld frühzeitig eingebunden. Auch hierüber wurde die Unwahrheit gesagt.

Warburg-Affäre: Worum geht es bei den kriminellen Cum-Ex-Geschäften?

Zur Erinnerung: Es geht bei der Warburg-Affäre um kriminelle Cum-Ex-Aktiengeschäfte und viele Milliarden Steuerschäden hieraus. Dabei werden durch Karussellgeschäfte mit Aktien mehrfache Erstattungen für Steuern ausgelöst, die nicht entrichtet wurden. Es ist, als ob man im Supermarkt eine Flasche abgibt, den Pfandbon kopiert und mehre Freunde damit zur Supermarktkasse schickt. Beim Pfandbon funktioniert das nicht, bei Aktien war es lange möglich. Bei der Warburg-Bank allein ging es um dreistellige Millionenbeträge.

Auf erhebliche Summen dieser Tatbeute aus kriminellen Geschäften wollte die Hamburger Finanzbehörde, das Finanzministerium des Stadtstaates, unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und seinem damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher verzichten. In den Jahren 2016 und 2017 drohten insgesamt 90 Millionen Euro zu verjähren. Dass der heutige Bundeskanzler geschickt Einfluss auf das Steuerverfahren nahm, um eine Festsetzung der Steuerschuld zu verhindern, ist naheliegend. Die Indizienkette ist sehr dicht. So hat Scholz etwa den Cum-Ex-Bankier telefonisch aufgefordert, eine Protestnote an seinen Finanzsenator zu übermitteln, der diese mit seinen persönlichen Anmerkungen an die Finanzbehörde weiterleitete. Die zuständige Finanzbeamtin, die selbst gegenüber der Warburg-Bank angemerkt hat, jetzt könne nur noch die Politik helfen, wurde einbestellt. Sie machte unter Protest ihrer Mitarbeiter ihre Entscheidung zum Einzug der Cum-Ex-Tatbeute rückgängig, daraufhin kippte die Entscheidung zugunsten der Bank und man ließ die Ansprüche auf über 40 Millionen Euro verjähren. Für die Anberaumung der Treffen mit Scholz floss auch Geld an die Hamburger SPD bzw. einen Mentor von Scholz, den früheren SPD-Innensenator.

„Zu den Aufgaben eines Ersten Bürgermeisters gehört es, mit den Wirtschaftsvertretern der Stadt im regelmäßigen Austausch zu stehen. So hat es auch ein Treffen von Olaf Scholz mit Herrn Olearius im November 2017 im Amtszimmer des Bürgermeisters gegeben, wie aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei vorliegen müsste. Wieso dies bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht berücksichtigt worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis.“ 

Diese Aussagen sind gleich in mehrfacher Hinsicht unwahr:

Scholz behauptete gegenüber einem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, sich an keines seiner drei Treffen mit den Warburg-Bankiers Christian Olearius und Max Warburg zu erinnern. Er hat aber im Februar 2020 das zuerst bekannt gewordene Treffen mit Olearius, das am 10. November 2017 stattfand, wie soeben zitiert, unter Berufung auf seinen Kalender bestätigt. Doch laut der schriftlichen Aussage seiner Büroleiterin Jeanette Schwamberger gegenüber dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft stand dieser Termin damals nicht (mehr) in seinem Kalender.

Beim Überspielen des Kalenders des Ersten Bürgermeisters in das Finanzministerium im März 2018 wurde der Termin, sofern er jemals im Kalender stand, nicht übertragen. Scholz müsste sich demnach an den Termin erinnert haben. Scholz ist die einzige Quelle, die den Termin bestätigen konnte. Der Hamburger Senat scheidet dafür aus.

Auf diesen Widerspruch haben auch bereits die Enthüllungsjournalisten Oliver Schröm und Oliver Hollenstein hingewiesen. Sie beschreiben den Vorgang in ihrem Buch „Die Akte Scholz“, das im Herbst 2022 veröffentlicht wurde. Sie haben nun kürzlich auch E-Mails veröffentlicht, die den Vorgang weiter ausleuchten. Nur bisher gab es Hintertüren für Scholz, da nämlich theoretisch der Kalender in Hamburg vorgelegen haben könnte und der Termin hierüber hätte bestätigt werden können.