Chrismon: Im Schatten der Macht kann man kriminell sein
Ein Interview mit Fabio De Masi und Petra Morsbach
Chrismon: Im Schatten der Macht kann man kriminell sein
"Machtmissbrauch fällt häufig spät auf und wird von vielen Seiten gedeckt. Die Schriftstellerin Petra Morsbach und der Politiker Fabio De Masi diskutieren, was man dagegen tun kann.
chrismon: Herr De Masi, Sie haben sich intensiv mit Wirecard beschäftigt, waren Mitglied im Untersuchungsausschuss des Bundestages. Wann fiel Ihnen auf, dass mit der Firma etwas nicht stimmt?
Fabio De Masi: Es gab nach der Finanzkrise einen Hype um Firmen, die im Internet Zahlungen abwickeln. Immer, wenn so ein Hype entsteht, habe ich ein komisches Gefühl. Da kann im Windschatten viel schmutziges Geld gewaschen werden. Ein Journalist hat mir 2017 einen Tipp gegeben, da seien dubiose Typen mit Geheimdienstverbindungen im Unternehmen. Das hat mich interessiert – wie ein True Crime. (...)
Hatten Sie Macht, Herr De Masi?
De Masi: Ich hatte keine ausufernde Macht, Gesetze zu beschließen, weil ich in einer Minderheitenposition im Parlament war. Aber ich hatte Zugang zu Journalisten, weil ich mir einen Namen als Finanzexperte gemacht hatte. Ich hatte natürlich Verfügungsgewalt über Mitarbeiter. Aber die "Bild"-Zeitung hat manchmal eine größere Macht als mancher gewählte Politiker. (...)
War der Wirecard-Untersuchungsausschuss relativ erfolgreich, weil Sie von außen darauf geschaut haben?
De Masi: Natürlich hat das eine Rolle gespielt. Aber auch bei uns gab es nicht nur außen und innen. Wir haben auch nach der politischen Verantwortung des Finanzministers und der Bundeskanzlerin gefragt, die für Wirecard geworben hat. Unser Ausschuss wurde als Erfolg bewertet, weil er viele Dinge ans Licht gebracht hat und sich die Öffentlichkeit ein Urteil bilden konnte. Aber den Anlegern, die ihre Ersparnisse verloren haben, hilft das erst mal auch nicht. Denn über die Haftung und die strafrechtlichen Konsequenzen entscheidet die Justiz, das ist nicht Sache der Abgeordneten.
Ist Macht verführerisch?
De Masi: Absolut, das ist eine Droge. Meine spezielle Droge ist die öffentliche Aufmerksamkeit: Ich kann Dinge sagen, die wahrscheinlich viele andere auch sagen, aber die stehen nicht in der Zeitung. Wenn ich eine Schlagzeile gesetzt habe, ist das ein gutes Gefühl. Und ich überlege sofort, wie ich die nächste Schlagzeile setzen kann. Man kommt in einen Rausch, in dem man sich permanent beweisen will, dass man etwas bewirkt. Das ist eine Sucht nach Aufmerksamkeit, nach Macht. Ich glaube, dass viele meiner Kollegen in unterschiedlichen Parteien Überzeugungstäter sind und nicht aus materiellen Gründen am Mandat kleben. Trotzdem können viele nicht davon lassen, weil sie süchtig sind. Das ruiniert Freundeskreise und Familien. Und dann haben viele Angst davor, in ein schwarzes Loch zu fallen ohne Politik.
Haben Sie deshalb nach einer Legislatur aufgehört?
De Masi: Ich war ja zuvor bereits im Europäischen Parlament. Das waren sieben gute Jahre. Ich wollte wieder Macht über mein Leben haben. Die habe ich, wenn ich sage: Ich lass mich hier nicht mit den Füßen raustragen. Wenn ich jetzt gehe, wo ich erfolgreich bin, habe ich andere Möglichkeiten, als wenn ich verbraucht bin.
Haben Sie schon mal Ihre Macht missbraucht?
De Masi: Mit Sicherheit. Ich habe bestimmt mal Mitarbeitern unrecht getan. Wer wäre ich denn, wenn ich das nicht getan hätte? Ich habe auch unmoralische Angebote bekommen . . .
Von wem?
De Masi: Von Personen, die mich umgarnten, sagten: Du als Linker hast jetzt einen Ruf als Aufdecker von Finanzskandalen, willst du nicht für einen Investor arbeiten? Das habe ich immer abgelehnt, weil eine Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft Interessenkonflikte schafft. Aber vor allem, um mich selbst zu schützen. Ich bin kein besserer Mensch, habe wie alle Schwächen und Fehler. Deshalb habe ich mir Transparenz verordnet – als Selbstschutz. Wenn ich weiß: Ich muss jedes Treffen mit Lobbyisten aufschreiben, ich muss meine Steuererklärung veröffentlichen, ist die Hemmung viel größer, meine Macht zu missbrauchen. (...)"
Das vollständige Interview finden Sie auf Chrismon.de