Cum-Ex – Tatort Hamburg

Frau P - Aktenzeichen XY ungelöst!

31.07.2021

Im Mittelpunkt des Warburg Krimis um kriminelle Cum-Ex Geschäfte steht die Finanzbeamtin Frau P.

Sie ist am 6. August 2021 als Zeugin in den Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft vorgeladen.

Die Hamburger Politik, Wolfgang Schmidt, der Staatssekretär des Finanzministers und ehemaligen Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz, und die Warburg Bank haben verstanden, dass Frau P. das schwächste Glied in der Kette ist. Sie alle setzen auf eine absehbare Verteidigungsstrategie.

Ich möchte mit diesem Beitrag die Unstimmigkeiten in der Story des Hamburger Senat/Olaf Scholz/Warburg Trios aufzeigen. (1)

 

1. Wer ist Frau P.?

 

Sie ist als Sachgebietsleiterin beim Finanzamt in Hamburg und zuständig für den Großkunden Warburg Bank. Sie kommt am Ende nach einer 180 Grad Wende unter sehr fragwürdigen Umständen zu der Entscheidung, die Tatbeute der Warburg Bank aus Cum-Ex Geschäften nicht einzuziehen.  Sie zerwirft sich hierüber mit drei erfahrenen BetriebsprüferInnen, die abgewogene Einschätzungen der Sachlage bei Warburg angefertigt hatten und alle zu einem eindeutigen Urteil gelangen: sie wollen die Tatbeute einziehen.

Eine Kommunikation mit ihrem Team findet über Monate nicht statt. Frau P. untersagt Ihren PrüferInnen sogar, Informationen mit Steuerfahndern aus NRW zu teilen. Die BetriebsprüferInnen sind frustriert, ein Prüfer wird krank und eine Prüferin deutet vor Gericht an, dass die guten Kontakte der Bank zum Senat eine Rolle gespielt haben könnten. (2)

Frau P. pflegte offenbar sehr enge Kontakte zur Bank. Sie kommunizierte laufend auch informell. Dass sie laut Gerichtsakten auch privat mit der mit der mittlerweile verstorbenen Tochter von Herrn Olearius bekannt war und diese im fraglichen Zeitraum auf einer Petersilienhochzeit in Blankenese getroffen haben soll, wurde von der Warburg Bank dementiert. Sie seien nur auf der Hochzeit einer gemeinsamen Bekannten eingeladen gewesen, dann aber nicht hingegangen. (3)

Allerdings hatte Frau P. ihrer Vorgesetzten, Frau Ohse-Griem, laut deren Aussage im Hamburger Untersuchungsausschuss zum Warburg Skandal (PUA) angeboten, sie wegen Befangenheit vom Warburg Fall abzuziehen. Denn sie sie nun einmal „Blankeneser Perlkettentochter“ und „durch Schule und Freundeskreis eben auch mit vielen Bankiersfamilien in Kontakt gekommen“. 

 

2. Der Sinneswandel der Frau P.

 

Frau P. trat zu Beginn sehr streng gegenüber der Bank auf und wollte die Cum-Ex Millionen zurückfordern. Am Ende stritt sie sich jedoch im Bundesfinanzministerium mit Deutschlands ranghöchsten SteuerbeamtInnen, weil sie Warburg vor der Millionenzahlung bewahren wollte.

Sie pflegte sehr engen Kontakt zur Bank, telefonierte regelmäßig mit deren VertreterInnen. Ihrem Hinweis folgend, schaltete Herr Olearius die Politik ein. Später trat sie gegenüber den WirtschaftsprüferInnen der Bank auf und erklärte diesen, dass die Forderungen verjährt seien, woraufhin diese auf erneute Rückstellungen verzichteten.

 

3. Die Story von Frau P. (sowie der Hamburger Politik, Olaf Scholz und der Warburg Bank)

 

Ihre Version der Geschichte ist klar: Es habe 2016 eine relativ unklare Rechtslage bestanden, das Finanzamt habe abgewogen und final entlang von Recht und Gesetz gemeinsam entschieden, das Geld nicht zurückzufordern. Der Fall Warburg sei komplex, weil er von einem Standard-Cum-Ex-Geschäft abweiche. Dieses Vorgehen sei auch mit der Staatsanwaltschaft Köln abgestimmt gewesen. 

Diese Story ist die Verteidigungsstrategie von Stadt, Scholz und Bank. In allen Dokumenten und juristischen Eingaben kämpft Warburg explizit für Frau P. Auch von der Behörde bekommt sie maximale Rückendeckung.

 

4. Befragung von Frau P. im PUA der Hamburger Bürgerschaft

 

Nach meiner Auffassung wäre es Aufgabe der Befragung, das merkwürdige Amtsverständnis der Frau P. und die Widersprüche in ihrer Story herauszuarbeiten. Eine Vereidigung der Zeugin Frau P. erscheint mir zwingend. Allen Punkten der Story kann man entgegensetzen: Der Sachverständige Prof. Spengel hat eindeutig erklärt, dass es Ende 2016 keine unklare Rechtslage mehr gab. Es gab keine „Standard-Cum-Ex-Geschäfte“, der Fall Warburg ist dagegen offenbar so eindeutig, dass er als Musterverfahren bis zum Bundesgerichtshof ging. Die Beweislage für eine behauptete Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Köln ist sehr dünn, auch hier müsste man tatsächlich den Staatsanwalt als Zeuge laden. 

 

5. Die Widersprüche der Frau P.

5.1. Wegen Frau P. landet Olearius überhaupt erst bei Herrn Scholz

 

Frau P. hat den Bankern erklärt, die endgültige Entscheidung in diesem Verfahren treffe die Finanzbehörde (das Hamburger Finanzministerium). So hat sie es selbst festgehalten. Olearius hat es in seinem Tagebuch etwas anders festgehalten: Zunächst notiert er, sie habe geraten, politischen Beistand einzuholen, später schreibt er, sie habe gesagt: Die Politik müsse entscheiden, sie bedaure. Diese Aussagen nimmt Olearius zum Anlass, aktiv zu werden. Er schaltet Hamburgs Strippenzieher Pawelczyk (ehemaliger SPD-Innensenator) als Emissär ein, der mit Scholz spricht. Später kommt es zu den direkten Treffen mit Scholz. Sie hat ihren eigenen Notizen zufolge den Warburgern 2016 zudem einen Deal angeboten. Darauf ließ sich Olearius allerdings nicht ein.

 

5.2. Die dubiose Kehrtwende der Frau P. und die Rolle der Hamburger Finanzbehörde (das Hamburger Finanzministerium)

 

Frau P. war am Anfang sehr klar in ihrer Entscheidung, wollte unbedingt die Cum-Ex Millionen zurückfordern. Dabei bezog sie sich auf die durchs Finanzgericht Hessen bestätigte Beweislastumkehr: Wer eine Steuererstattung bekommen möchte, muss beweisen, dass die Steuern vorher bezahlt wurden.  Als die Bank mit der Pleite drohte, wurde sie vorsichtig – wollte bei der Entscheidung, so hat sie es MitarbeiterInnen offenbar erzählt, unbedingt die Finanzbehörde mit ins Boot holen. Anfang Oktober 2016 schreibt sie ein 28-seitiges Gutachten an die Behörde, dass sie die Millionen zurückfordern will – und bittet hierfür um Zustimmung. Im November revidiert sie ihre Meinung nach Abstimmung mit der Behörde in einem zweiseitigen Papier. Das Papier entspricht im Wesentlichen einem Papier der Warburg-Bank, das sie zuvor erhalten hat.

Die Warburg Bank hat ihre Argumente auch Herrn Scholz übermittelt. Dieser forderte Olearius laut Tagebuch am Telefon auf, das Papier kommentarlos an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister, Peter Tschentscher, zu übermitteln. Von dort wanderte das Papier erneut an die Finanzverwaltung mit Anmerkungen des Finanzsenators. Sowohl Herrn Scholz als auch Herrn Tschentscher hätte dabei anhand des Briefkopfes bewusst gewesen sein müssen, dass dieses Schreiben bereits Frau P. vorlag.  Im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Vorgängen revidierte Frau P. ihre Haltung.

Die beiden wichtigsten Argumente von Frau P.: Der Bank drohe die Pleite – und man fürchte die rechtliche Auseinandersetzung, weil die Klagechancen nur ausgeglichen seien. Deswegen gehe man das Risiko einer Verjährung ein.

Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt behauptet übrigens im Widerspruch zu Minister Scholz, dass die Weisung des Finanzministeriums gegenüber Hamburg überflüssig gewesen wäre. Denn das Risiko einer Verjährung habe gar nicht bestanden (vgl. https://twitter.com/w_schmidt_/status/1421195392302059525?s=21).

Beide Argumente von Frau P. sind höchst fragwürdig:

Dass eine Behörde eher das Risiko eines hohen Millionenverlusts eingeht, als den Rechtsweg zu begehen, erscheint ungewöhnlich. Die Rechtskosten hätten bei einem Bruchteil des möglichen Verlusts gelegen, eine Klage wegen Amtshaftung hätte bei genauer Abwägung ausgeschlossen erscheinen müssen. Zudem erklärte der Sachverständige Prof. Spengel im PUA, Angst vor einer Amtsklage dürfe bei einer Ermessensentscheidung niemals eine Rolle spielen. Abgesehen davon war auch 2016 die Rechtslage bereits relativ eindeutig: Cum-Ex-Sünder verloren immer, wenn sie gegen den Staat geklagt haben. Hamburg ist übrigens in einem anderen Fall zuvor bereits rigoros wegen ähnlicher Gestaltungen vorgegangen. (vgl. https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bfh-urteil-i-r-2-12-cum-ex-aktien-geschaefte/). Dass die Angst vor der Pleite die BeamtInnen ängstigte, erscheint angesichts der Sachlage höchst ungewöhnlich. Man habe darüber gesprochen, dass eine Rückforderung vermutlich einen unmittelbaren Zusammenbruch der Warburg-Gruppe zur Folge habe, schreibt Frau P. in ihrem Vermerk. Doch war das wirklich zu befürchten?

Die Finanzaufsicht Bafin hatte KPMG genau mit der Untersuchung dieser Frage beauftragt: Kann die Bank eine Rückzahlung verkraften? Ergebnis: Weil die InhaberInnen der Bank schon im Frühjahr 2016 mit ihrem Privatvermögen für die Bank gebürgt hatten, war sie finanziell gerüstet. In anderen Fällen hätte die Bankenaufsicht auch tätig werden müssen. Wenn einer Bank die Pleite droht, ist die Bafin verpflichtet, einzugreifen. Mittlerweile hat Warburg bezahlt. Die Bank steht noch. (4)

Erstaunlich ist zudem die 180 Grad Wende in der Argumentationslinie. Zuvor hatte Frau P. argumentiert, wie sie es laut einem Vermerk auch den Warburg-Bankern erklärt hatte: Steuerrechtlich gebe es genügend Indizien, um Warburg in die Beweislast zu bringen. Das basiert auf einem damals nach einem Urteil des Finanzgerichts Hessen in den Finanzverwaltungen überall angewandten Grundsatz: Wer eine Steuererstattung begehrt, muss beweisen, dass er die Steuern bezahlt hat. Nicht umgekehrt. Nun dreht Frau P. die Beweislast einfach um.

Weitere Ungereimtheiten:

Frau P. schickte ihre BeamtInnen nun auf die Suche, ob nicht Warburg irgendwo doch die Steuer bezahlt habe – statt der Bank zu sagen: Bitte beweist mir, dass ihr die Steuer gezahlt habt, die ihr ausgezahlt haben möchtet. Ihre BetriebsprüferInnen setzt Frau P. dazu ab 2017 für eine Puzzleübung ein, die weder leistbar, noch erforderlich ist (wie auch der Sachverständige Spengel im PUA ausgesagt hat): Sie sollen Lieferketten nachweisen, um lückenlose Beweise zu haben, dass die Steuer nicht gezahlt wurde. Dabei, so bestätigte auch Spengel im PUA, wäre damals schon ausreichend gewesen, einfach nur die Beweislast zu drehen und von Warburg den Beweis zu verlangen (über die selbstausgestellte Steuerbescheinigung hinaus), dass jemand die Steuer bezahlt habe. Das hätte Warburg nicht gekonnt. Genau so verlangten es übrigens die MitarbeiterInnen von. Frau P.; so wollte es Frau P. anfangs selbst machen; so argumentierte am Ende auch das Bundesfinanzministerium.

Im Jahr 2017 schreibt Frau P. erneut ein Gutachten zur erneuten Rückforderung, das zu dem exakten Gegenteil von 2016 kommt – obwohl spätestens jetzt alle Fakten bekannt sind, auf deren Basis das Landgericht Bonn und der Bundesgerichtshof geurteilt haben. Frau P. sieht es aber anders: Zwar habe man grundsätzlich in zwei Fällen inzwischen Beweise (=Lieferketten), die bezögen sich aber auf das Jahr 2009, das bereits verjährt sei, schreibt sie. Für das nun entscheidende Jahr 2010 seien keine Lieferketten vorhanden, nur Indizien. Auch Aussagen eines Kronzeugen, der die Bank belastet, seien nicht ausreichend

Nach der Weisung durch das Bundesfinanzministerium streitet Frau P. sogar mit den höchsten Finanzbeamten der Republik. Bei dem Gespräch im November 2017 in Berlin weckt sie laut TeilnehmerInnen den Eindruck, dass sie die Steuermillionen auf keinen Fall zurückfordern will. Die Hamburger bewerten den Fall juristisch anders und sorgen sich vor allem, dass die Bank wegen der Steuerrückzahlung in Notlage geraten könnte. Die Stimmung ist gereizt, berichteten laut Medienberichten mehrere TeilnehmerInnen unabhängig voneinander. Schließlich sagt der verantwortliche Unterabteilungsleiter des Bundesfinanzministeriums noch einmal unmissverständlich: Der Steuerbescheid muss aufgehoben, das ausgezahlte Geld zurückgefordert werden. Frau P. soll gefragt haben, was das denn bedeute. Daraufhin antwortet der Unterabteilungsleiter lapidar: „Das ist eine Weisung.“

 

5.3. Der Kronzeuge von Frau P. existiert nur auf dem Papier

 

Für ihr Papier führt Frau P. als wichtigsten Kronzeugen den Staatsanwalt Fuchs aus Köln ein. Er vertrete angeblich ihre Linie, ihre Quellen sind dabei jeweils von ihr selbst geschriebene Telefonvermerke. Besonders interessant könnte dabei ein Punkt aus dem zweiseitigen Vermerk zu ihrer Kehrtwende werden. Sie schreibt darin, der ermittelnde Staatsanwalt aus Köln habe keine Probleme damit, wenn das Finanzamt von einer Änderung der Bescheide absehe. Das habe er ihr am Telefon gesagt. Das erscheint überraschend: Eben dieser Staatsanwalt hatte Frau P. nur wenige Tage vorher noch per Mail einen Erlass des Bundesfinanzministeriums zugesandt. Er solle ihr die Entscheidung zur Rückforderung der Cum-Ex Millionen erleichtern, schrieb er.

Die Glaubwürdigkeit der Telefonvermerke von Frau P. sind zu bezweifeln: Um einen Vermerk ging es auch vor dem Landgericht Bonn. Darin hatte sie festgehalten, dass sie mit einem Steuerfahnder aus NRW gesprochen hatte, der sich kritisch über den Bericht der Sonderprüfung von Deloitte bei der Warburg Bank und den Prozess in Bonn geäußert habe. Der Steuerfahnder sagte nun vor Gericht aus: Er habe nie mit Frau P. über diese beiden Themen gesprochen. 

Am besten wäre wohl, der PUA würde Staatsanwalt Fuchs dazu befragen!

 

5.4. Frau P. und ihre enge Beziehung zur Warburg Bank

 

Laut ihren eigenen Notizen telefoniert Frau P. häufig mit den Vertretern der Bank und informiert sie auch informell über Sachverhalte, wie aus dem Tagebuch von Herrn Olearius hervorgehen soll. Olearius erfährt von der entlastenden Entscheidung der Finanzbehörde im November 2016 noch am gleichen Tag. Im Dezember 2017 informiert sie die Bank „informell“ (wie Olearius notiert) schon deutlich früher über die  Rückzahlung, als der offizielle Meldeweg - und das, obwohl Frau P. vorher explizit angewiesen wurde, nicht informell zu informieren.

Als die Wirtschaftsprüfer von PwC Anfang 2017 die Bank zwingen wollen, für das Risiko einer Rückzahlung vorzusorgen, interveniert Frau P. zu Gunsten der Warburg Bank und spricht mit den PrüferInnen: Sie sei sich mit PwC einig, schreibt sie in einem Vermerk, dass die Rückzahlung für 2009 verjährt sei, und es bisher keine neuen Erkenntnisse gebe, auf deren Basis man Steuerbeträge aus 2010 und 2011 zurückfordern werde. Später beruhigt sie die WirtschaftsprüferInnen noch einmal, als sie der Bank das Testat für den Jahresabschluss verweigern wollen. Der Grund: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, die mit 30 MitarbeiterInnen die Geschäfte von Warburg im Auftrag der Bankenaufsicht Bafin durchleuchtet hatten, kommen in einem mehr als 1000 Seiten starken Bericht zu dem Ergebnis, dass die Geschäfte von Warburg mehr als zweifelhaft sind. Doch Frau P. sagt, so hält sie es selbst in einem Vermerk fest, dass sie davon ausgehe, dass Deloitte den Bericht noch einmal überarbeiten werde. Auch ein in der Zwischenzeit gefallenes weiteres Urteil des Finanzgerichts Hessen habe keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Cum-Ex-Geschäfte von Warburg. Selbst Christian Olearius ist offenbar tief beeindruckt, wie weit sich Frau P. aus dem Fenster lehnt. Sie habe Mut bewiesen, soll er dazu im Tagebuch notiert haben.

 

5.5. Wem diente Frau P.?

 

Als sie die neuen Steuerbescheide mit der Rückforderung an die Warburg-Banker übergibt, erklärt sie offenbar, dass die Hamburgische Verwaltung die Rechtsauffassung nicht teile, die in dem Bescheid zugrunde liege. So jedenfalls ist es in einem Protokoll der Partnersitzung am gleichen Tag festgehalten. Christian Olearius erklärt in der Sitzung, die Maßnahme lasse an rechtsstaatlichen Grundsätzen zweifeln, sei offenbar politisch motiviert, juristisch kaum zu begründen. Das Gegenteil haben Gerichte nunmehr festgestellt.

Einen Tag später telefoniert sie noch einmal mit einem Mitarbeiter der Bank, das notiert jedenfalls Christian Olearius laut Medienberichten in seinem Tagebuch. Frau P. habe am Telefon gesagt, die Hamburger Finanzverwaltung sei weiter der Meinung, Warburg sei unschuldig. Der Bescheid sei nicht haltbar, die Klagechancen der Bank gut. Sie schäme sich. Das sei kein Rechtsstaat. Olearius war bei dem Gespräch nicht dabei, er berichtet somit vom Hörensagen. Frau P. soll gegenüber ihrer Vorgesetzten später diese Aussage bestritten haben, so berichtete diese vor Gericht.

Inhaltlich dürften die Aussagen dennoch die Meinung von Frau P. wiedergeben. Wenige Wochen später notiert Frau P. selbst über ein Gespräch mit der Steuerfahndung in NRW, sie habe den FahnderInnen gesagt, dass sie die von ihr selbst unterschriebenen Bescheide für rechtswidrig halte. Und sie habe erwähnt, dass sie die Entscheidung des Bundesfinanzministeriums für rein politisch halte und es für die Behörde recht unangenehm sei, diesen Bescheid jetzt rechtmäßig machen zu müssen.

 

5.6. Im Team von. Frau P. eskaliert der Streit

 

Es gibt nach dieser Entscheidung massiven Stress zwischen Frau P. und ihren MitarbeiterInnen. Alle ihre BetriebsprüferInnen sind der Meinung, das Geld müsse zurückgefordert werden. Sie stellt sich dagegen. Der Streit eskaliert: Im Oktober kommentiert ihre Mitarbeiterin Dagmar M. das Gutachten von Frau P. zum erneuten Verzicht auf die Rückforderung mit harschen Worten. "Haarsträubend" tippt sie an einer Stelle, dies entbehre "jeglicher Grundlage", dieses sei falsch, jenes aus dem Zusammenhang gerissen. Wozu ist das bedeutend? Was ist der Inhalt dieses Satzes? 

Der Prüfer Gerhard H. erklärte vor Gericht, dass ihn dieser Streit krank gemacht habe. Er geht verbittert in den Ruhestand.

Auch ihr Kollege Manfred H. verfasst eine fünfseitige Replik zu dem Oktober-Papier, die er Frau P. übermittelt. Er widerlegt Argumente, verweist auf Details zu den Geschäften. Fazit: Die drohende Verjährung müsse und könne unterbrochen werden. Doch Frau P. überzeugt er nicht: Der Betriebsprüfer habe sich weder mit dem Sachverhalt noch mit den Urteilen auseinandergesetzt, notiert sie. Manfred H. wiederum legt die Antwort von Frau P. auf seine Kritik mit einer lakonischen Notiz zu den Akten: Offensichtlich irre Frau P. oder kenne die gesetzlichen Regelungen nicht so gut.

Als im Januar 2018 Medien über die Weisung des Bundesfinanzministeriums berichten, verdächtigt Frau P. sogar ihre BetriebsprüferInnen. Sie wirf ihnen vor, die Information an die Presse durchgestochen zu haben, so berichten beide unabhängig voneinander vor Gericht. Sie dementieren, sind empört. In der Folge seien sie über den weiteren Gang des Verfahrens nicht mehr informiert worden.

Stattdessen beauftragt Frau P. ihre PrüferInnen damit, stichhaltige Beweise gegen Warburg zu sammeln und über Lieferketten nachzuweisen, dass die Steuer wirklich nirgendwo bezahlt wurde (siehe oben). Eine unmögliche Aufgabe. Am 1. März 2018 sind sie fertig, schreiben, die Bank habe dabei nicht nachgewiesen, dass jemand die Kapitalertragssteuer entrichtet habe, die sie sich erstatten ließ. Die Beweislast liege bei der Bank. Dann verweisen die BeamtInnen auf zahlreiche rechtliche Punkte, die Finanzgerichtsurteile, zitieren das Deloitte- Gutachten. Frau P. ist mit der Arbeit jedoch nicht zufrieden. Die geforderten Zwischenstationen hätten die BeamtInnen nicht geliefert. Es sei ihnen offenbar nicht möglich, den Sachverhalt zu ermitteln, kommentiert sie den Vermerk handschriftlich. Es sei nur eine Vermutung, dass Cum-Ex immer nach dem gleichen Muster abgelaufen sei, und die Auffassung von Gutachten sei irrelevant. Es sei auch nicht die Aufgabe der PrüferInnen gewesen, eine rechtliche Würdigung zu schreiben. 

Mit ihren MitarbeiterInnen spricht sie offenbar nicht. Über Monate gibt es keine Kommunikation. Erst im Juni sprechen die BetriebsprüferInnen mit ihrer Chefin, Manfred H. schreibt darüber einen Vermerk. Er habe sich über die mangelnde Kommunikation beschwert, notiert er. Frau P. habe entgegnet, es sei wohl besser gewesen, zunächst nicht miteinander zu sprechen. Sie habe das Gefühl gehabt, gegen eine Wand zu sprechen. Man sei übereingekommen, die Kommunikation zu verbessern.

Doch die Kommunikation wird nicht besser. Bei einem Gespräch mit der Bank erfahren die PrüferInnen zufällig, dass Frau P. offenbar bereits Zugeständnisse der Bank gegenüber gemacht hat. Sie schreiben eine Aktennotiz: Frau P. habe sie nicht informiert, sie würden die Einschätzung nicht teilen.

Manfred H. wird anschließend aus dem Team abgezogen, heißt es in Vermerken. Dagmar M. soll sich nicht mehr um den Zeitraum der Cum-Ex-Geschäfte kümmern. 

 

5.7. Frau P. hat der Warburg Bank immer wieder erklärt, die Gelder seien verjährt

 

Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt erklärt immer wieder, das Geld sei nie verjährt gewesen. Frau P. hat aber genau das immer wieder gegenüber den Bankern erklärt. Sogar den WirtschaftsprüferInnen hat sie das bestätigt, so dass diese keine Rückstellungen mehr gebildet haben.

 

Nachweise

(1) Quellen soweit nicht anders vermerkt sind https://www.manager-magazin.de/thema/warburg/ sowie vertrauliche Akten und Aussagen aus dem Hamburger parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA), die sich anhand öffentlicher Berichterstattung bzw. vertraulicher Protokollen verifizieren lassen.

(2) https://www.manager-magazin.de/politik/cum-ex-skandal-um-m-m-warburg-eine-behoerde-im-kriegszustand-a-a5ca2a0d-7906-4385-ade1-ce79135482af (Abgerufen am 31. Juli 2021)

(3) https://www.spd-fraktion-hamburg.de/buergerschaft/kleine-anfragen/b/pua-cum-ex-bericht-des-manager-magazins-vom-15042021.html bzw. https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/75312/pua_cum_ex_bericht_des_manager_magazins_vom_15_04_21.pdf (Abgerufen am 31. Juli 2021)

(4) https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/cum-ex/cum-ex-aktiengeschaefte-warburg-zahlt-steuern-zurueck-und-verklagt-ehemalige-berater-und-geschaeftspartner/26799150.html?ticket=ST-2305319-SwIbWFIfdvu7yxW3Ybpc-ap3 (Abgerufen am 31. Juli 2021)