Mopo: Gibt es in Hamburg einen Sumpf aus Politik und Wirtschaft?

Ein Interview mit Fabio De Masi

09.09.2020

Mopo: Gibt es in Hamburg einen Sumpf aus Politik und Wirtschaft?

"Olaf Schloz (SPD) wird am Mittwoch erneut vor dem Finanzausschuss des Bundestages zur Cum-Ex-Affäre Rede und Antwort stehen. Seine Treffen mit Christian Olearius (78), Chef der Warburg Bank, hatte er beim letzten Mal nicht erwähnt. Jetzt sollen die Fakten auf den Tisch kommen. Fabio De Masi, Vize-Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, wird Scholz gemeinsam mit den anderen Abgeordneten in die Mangel nehmen. In der MOPO erzählt er, welche Fragen er dem Kanzlerkandidat stellen will.

Wie wollen Sie Scholz in die Enge treiben?

Fabio De Masi: Ich werde ihm die Fragen stellen, die sich jeder Taxifahrer, der Steuern zahlt, stellt.

Die wären? 

De Masi: Warum zahle ich Steuern, eine Bank raubt uns mit Cum-Ex-Geschäften aus und Hamburg schenkt ihnen die Beute? Warum hat Herr Scholz die Unwahrheit im Bundestag gesagt über weitere Treffen mit Olearius? Warum traf Scholz einen Beschuldigten – Warburg Bankier Olearius – während eines laufenden Steuerverfahrens mehrfach und forderte ihn auf, ein Schreiben an das Finanzamt an den damaligen Finanzsenator Tschentscher ohne Kommentare weiterzureichen? Ich glaube nicht, dass sich das Finanzamt Hamburg bei Millionen Steuergeldern über Wochen, Weisungen des Finanzministeriums, die Cum-Ex-Millionen nicht verjähren zu lassen, widersetzt.

Wollten Scholz und Tschentscher also eine Bank, die den Steuerzahler betrogen hat, auch noch beschützen?

De Masi: Ich kann es nicht beweisen, aber beide waren mit dem Vorgang befasst. Die Behauptung, die politische Ebene war nicht eingebunden, ist falsch. Auch die Hamburger Bürgerschaft wurde über die Treffen getäuscht. Auch dort gab es Anfragen von Linken und CDU.

Gibt es in Hamburg einen Sumpf aus Kumpanei und Lokal-Patriotismus zwischen Politik und Wirtschaft?

De Masi: Ja, ich treffe ja auch öfters Pfeffersäcke und Politik in Hamburg. Die waren dann am Wochenende miteinander Golf spielen oder auf dem Boot. Das weiß jeder in Hamburg. Ich glaube nicht, dass Scholz käuflich ist, das hat er gar nicht nötig. Das wird aus Verbundenheit getan. Aber Johannes Kahrs hat Parteispenden für die SPD von Warburg kassiert. Das ist schmutziges Geld.

Normale Bürger steigen bei solchen Themen kaum noch durch. Wie lässt sich das ändern?

De Masi: Ich erkläre Cum-Ex vereinfacht immer so: Stellen Sie sich vor, Sie gehen in den Supermarkt, ziehen sich einen Pfandbon, geben aber keine Flasche ab. Dann kopieren sie diesen Bon, gehen zur Kasse und lassen sich das Flaschenpfand mehrfach auszahlen. Die Kriminellen im Nadelstreifen machen das auch nichts anders als die kleinen Ganoven. Es ist nur sehr viel teurer. Die Kunst ist so zu sprechen, dass es auch die eigene Oma versteht. 

Wenn Scholz wieder versucht sich auf Gedächtnislücken zu berufen, wie würde die Geschichte weitergehen?

De Masi: Dann würde ich mich fragen, ob jemand mit solchen Gedächtnislücken wirklich Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden sollte.

Ich habe gelesen, dass sie nicht nochmal nächstes Jahr zur Bundestagswahl antreten wollen?

De Masi: Korrekt ist, dass ich mir darüber Gedanken mache, ob ich mir eine neue Herausforderung suche. Das hat vor allem persönliche Gründe. Ich will auch die Batterien neu aufladen, Und ich glaube die Linke macht Fehler, die unsere gute Arbeit – etwa gegen Finanzkriminalität, für Rentner oder kleine Selbstständige und Malocher – kaputt macht. Wir sagen den Leuten zu oft wie sie sprechen sollen, anstatt ihnen zuzuhören. Ich wollte immer etwas erreichen für die Kassiererin, die keine Lobby hat. Ich möchte das aber mit meinem eigenen Landesverband und meinen Fraktionschefs besprechen.

Werden sie von anderen Parteien schon abgeworben? 

De Masi: Das ist ja völlig zwecklos. Ich bin links. Die SPD hat das Vertrauen der Menschen unter Gerhard Schröder enttäuscht. Das wirkt bis heute nach. Die Grünen sind mir zu elitär. Auch die Linke hat bei Arbeitern und Angestellten verloren. Ich wünsche mir, dass wir uns verändern, damit die Malocher nicht nach Rechts gehen.