Süddeutsche Zeitung: Wirecard nutzte eine Lücke im Kontrollsystem

Eine Presseschau mit Fabio De Masi

21.08.2020

Süddeutsche Zeitung: Wirecard nutzte eine Lücke im Kontrollsystem

 

"Aus dem Bundestag geht ein Fragenkatalog nach dem anderen zum Milliardenskandal bei Wirecard an das Finanzministerium. Und mit fast jeder Antwort wird deutlicher, wie leicht der auf der Flucht befindliche Konzernvorstand Jan Marsalek und seine Helfer die deutsche Finanzaufsicht hereinlegen konnten. Einer derjenigen im Parlament, die dazu am meisten herausfinden wollen, ist Fabio De Masi von den Linken. Was ihm das Ministerium dieser Tage auf mehr als 50 Fragen hin geschrieben hat, offenbart dreierlei: Schon 2017 haben sich die Aufseher Kredite angeschaut, die sich später als dubios erwiesen. Weil im Kontrollsystem eine große Lücke klafft und die Finanzwächter nicht nachhakten, blieb der mutmaßliche Milliardenbetrug jahrelang unentdeckt. Und jetzt ist viel Geld weg. 

Die Antwort des Ministeriums auf die Fragen von De Masi betrifft unter anderem Kredite der konzerneigenen Wirecard Bank für Firmen in Asien. Einige dieser Darlehen seien als "auffällig und vermutlich nicht werthaltig" einzuschätzen, notierte das Ministerium. Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen Im Klartext: Diese Kredite sind wohl verloren. Insgesamt mehr als eine Milliarde Euro sind bei Wirecard über Jahre in dunklen Kanälen versickert, dubiose Darlehen sind ein Teil davon. Zurückzuholen sei da kaum etwas, heißt es aus dem Kreise der Anwälte, Ermittler und Wirtschaftsprüfer, die den insolventen Konzern durchleuchten. Und die dabei immer wieder auf neue Versäumnisse bei der Finanzaufsicht stoßen. 

Das mit der Lücke im Kontrollsystem geht so: Die Wirecard Bank, eine Tochter der Wirecard AG, hat wiederholt Partnerfirmen des Konzerns in Asienteils hohe Millionenbeträge geliehen. Gebürgt hat für solche Kredite meist der Mutterkonzern der Bank, die Wirecard AG. Vordergründig war bei der Wirecard Bank also, da die Darlehen ja besichert waren, alles in Ordnung. Die Wirecard AG indes unterlag, im Gegensatz zur konzerneigenen Bank, nicht der Aufsicht der Kontrollbehörde Bafin. In der AG war bei diesen Großkrediten so gut wie nichts in Ordnung, was aber jahrelang unentdeckt blieb. Der Abgeordnete De Masi spricht von einem "Desaster bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität". (...)

Die Bundesbank untersuchte 2017 immerhin sechs sogenannte strategische Kredite der Bank, für die der Mutterkonzern, also die AG, vollständig bürgte. Das Prüfergebnis: keine schwerwiegenden Mängel, aber eine "gewichtige Feststellung". Details dazu nannte das Finanzministerium auf De Masis Anfrage nicht. Das Ministerium versicherte aber, die von der Bundesbank festgestellten Mängel seien abgestellt worden. Den Abgeordneten De Masi überzeugen die Antworten des Ministeriums nicht. Er sagt, die Bafin hätte angesichts der Erkenntnisse der Bundesbank nachhaken müssen. In Wirtschaftsprüferkreisen heißt es, die Bafin hätte untersuchen müssen, warum die Wirecard AG die fraglichen Kredite nicht selbst vergeben habe. Und warum stattdessen die konzerneigene Bank dafür genutzt worden sei. (...)"