Gastbeitrag in der ZEIT: Ein Gangster-Paradies

Ausgerechnet bei der Bekämpfung der Geldwäsche liegt in Deutschland vieles im Argen. Die Regierung muss dringend handeln. Eine Analyse von Fabio De Masi

03.06.2019

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Geldwäsche ist die Kriminalität der Reichen und Mächtigen. Es geht um Korruption, Steuerflucht, Menschen-, Drogen- und Waffenhandel sowie um die Finanzierung von Terrorismus. Bis zum Januar 2020 muss die Bundesregierung die fünfte Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU umsetzen, am 19. Juni kommt der Entwurf dafür ins Kabinett. Und so viel ist heute schon klar: Wenn die Bundesregierung es damit ernst meint, liegt noch viel Arbeit vor ihr.

Deutschland ist ein Paradies für Gangster, zumindest bei der Geldwäsche. Laut einer Studie der Universität Halle, die vom Bundesministerium der Finanzen in Auftrag gegeben wurde, geht es in Deutschland um 100 Milliarden Euro jährlich. Um die Spuren des Geldes zu verwischen, werden Euro, Dollar oder Franken aus schmutzigen Geschäften etwa in Kasinos oder Immobilien investiert und durch Scheingeschäfte gewaschen. Oft fließt das Geld dabei über unzählige Tarnfirmen, was die Ermittlungen erschwert. Deshalb kann die Bekämpfung der Geldwäsche nur gelingen, wenn alle Beteiligten ihrer Verantwortung nachkommen.

Dafür gibt es bereits Regeln: Banken und Notare sind verpflichtet, verdächtige Transaktionen zu melden. Diese Meldungen gehen an die Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls. Meldungen, die dort als besonders auffällig eingestuft werden, leitet die FIU an die Strafverfolgungsbehörden weiter. Banken müssen ihre Kunden durchleuchten und die tatsächlichen Eigentümer von Tarnfirmen ermitteln. Alle Unternehmen müssen in der EU seit 2017 in einem Transparenzregister Informationen über ihre Eigentümer offenlegen.

Doch in der Praxis hat dieses System etliche Schwachstellen. Das Transparenzregister ist lückenhaft: Unternehmenseigentümer gelten erst ab einer Mindestschwelle von 25 Prozent der Anteile als wirtschaftlich Berechtigte. Zudem ist es zu einfach, Eigentum über Landesgrenzen hinweg zu verschleiern. Es braucht daher einen Informationsaustausch innerhalb der EU.

Die Aufsicht darüber, ob die Meldepflichten eingehalten wurden, führt im Finanzsektor die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Im Nicht-Finanzsektor — etwa bei Immobilien und Notaren — sind die Bundesländer zuständig, von Standesbeamten bis zu Gerichtspräsidenten. Und auch da hakt es. Die BaFin kontrolliert die Finanzinstitute nicht streng genug. So ergab eine Sonderprüfung der Behörde, dass keine deutsche Bank die Geldwäscheregeln im Zusammenhang mit den Panama Papers verletzt habe, jener Enthüllung der Süddeutschen Zeitung und anderer Medien um dubiose Briefkastenfirmen im Ausland. Wenig später durchsuchte die Staatsanwaltschaft Frankfurt dann jedoch Büros der Deutschen Bank.

Um die Aufsicht im Nicht-Finanzsektor ist es in Deutschland kaum besser bestellt, das geht aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linksfraktion hervor. Demnach kamen im Jahr 2018 nur 0,8 Prozent aller Geldwäsche-Verdachtsmeldungen an die FIU aus dem Nicht-Finanzsektor. Im Jahr 2017 kontrollierten in 10 von 16 Bundesländern die Aufsichtsbehörden Notare kein einziges Mal in deren Büros. Der Schmuckhandel, Kasinos oder der Immobilienmarkt sind jedoch Hochrisiko-Branchen, da hier oft bar bezahlt wird, wodurch Spuren leicht verwischt werden.

Bei Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftsprüfern herrscht überdies Schweigepflichten gegenüber den Mandanten. Sie müssen ihren Verdacht nur dann melden, wenn ihnen bekannt ist, dass es sich bei verdächtigen Zahlungen um Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung handelt. Aber genau dies soll die Strafverfolgung nach der Meldung ja erst herausfinden. Es braucht daher dringend strengere Kontrollen und abschreckende Bußgelder.

Unterdessen versinkt die FIU, die wichtigste Anti-Geldwäsche-Behörde Deutschlands, im Chaos, auch das geht aus Antworten der Bundesregierung hervor. Der FIU fehlen Personal, kriminalistische Expertise und Zugang zu relevanten polizeilichen Datenbanken. Monatelang fiel bei der Einheit die IT aus, die Banken meldeten ihre Verdachtsmomente per Fax, und

studentische Aushilfen tippten alles ab. Das Ergebnis: Bei der FIU liegen mehr als 30.000 unbearbeitete Verdachtsmeldungen. Selbst Fälle mit Bezug zur Terrorismusfinanzierung wurden so spät bearbeitet, dass es nicht mehr möglich war, das Geld zu beschlagnahmen. Dann wurde im August 2018 der Chef der FIU ausgetauscht und ein "Managementplan" verkündet. Doch Anfang 2019 ist weder der Rückstau der vielen Meldungen abgearbeitet noch der Personalaufbau nach Plan umgesetzt.

Um Finanzkriminalität zu bekämpfen, muss der Staat handlungsfähig sein. Wichtig dafür ist ein lückenloses Transparenzregister. Neben Eigentümern von Briefkastenfirmen sollten darin auch jene von Immobilien erfasst werden. Weiter muss auch schwere Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog der Geldwäsche aufgenommen werden, wie das in vielen OECD-Staaten der Fall ist. Nur wenn eine solche Vortat vorliegt, können Staatsanwälte wegen Geldwäsche ermitteln. Auch braucht Deutschland eine Bundesfinanzpolizei und ein Unternehmensstrafrecht. Zudem ist Banken und Notaren, die wiederholt Beihilfe zur Geldwäsche leisten, die Lizenz zu entziehen. Die meisten dieser Maßnahmen fehlen in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Doch ohne sie ist der Kampf gegen das schmutzige Geld nicht zu gewinnen.

Fabio De Masi ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion der Linkspartei im Bundestag