der Freitag/ND: Sahra Wagenknecht – Die Zukunft ist offen

Eine Presseschau mit Fabio De Masi über Aufstehen und Sahra Wagenknecht

11.03.2019

der Freitag: Die Zukunft ist offen

"Ein wenig Aufbruchstimmung liegt schon noch in der Luft, Ungewissheit und Stirnrunzeln aber ebenso – als würden sie hier in Augsburg, an einem Samstagvormittag Mitte Februar schon ahnen, dass Sahra Wagenknecht bald nicht mehr als Führungsfrau antreten wird. 50 in zumeist gelben Warnwesten mit "Aufstehen"-Schriftzug gekleidete Menschen stehen vor Augsburgs höchstem Bauwerk. Drinnen, im "Hotelturm", wird SPD-Bundessozialminister Hubertus Heil gleich seinen Bürger-Zukunfts-Dialog beginnen. Draußen protestieren die "Buntwesten" für einen Sozialstaat, der diesen Namen verdient, für eine stärkere Inverantwortungnahme der Reichen und für Frieden.

"Sahra" ist hier natürlich ein Thema: das Rätselraten um ihre wohl krankheitsbedingte Abstinenz von der Politik und ihre künftige Rolle in Sammlungsbewegung wie Linkspartei; einer erzählt, wie er vor kurzem nach Berlin in den Bundestag eingeladen war, von Wagenknecht; wie sie ihm und einem Begleiter den Rücken stärkte und zu noch mehr Tatkraft, Aktionen und Aufbruch ermunterte. Er habe so eine Wut in sich, sagt der Mann jetzt und wirkt dabei ganz ruhig, diese Wut müsse doch irgendwie raus, er wolle unbedingt weitermachen mit "Aufstehen", sich wehren gegen eine Regierung und auch gegen eine Linke, bei denen vieles in die falsche Richtung laufe.

Nun, drei Wochen später, hat Sahra Wagenknecht öffentlich gemacht, dass sie sich aus der Spitze von "Aufstehen" zurückziehen werde und dass sie im Herbst nicht mehr für den Fraktions-Vorsitz der Linken im Bundestag kandidieren werde. (...)

Während in der Linkspartei für die Zeit nach dem Abtritt Wagenknechts als Fraktionschefin mittelfristig interessante personelle Konstellationen an den Spitzen von Partei und Fraktion vorstellbar sind – mit Fabio De Masi, Janine Wissler, Jan Korte, Sevim Dağdelen und Klaus Lederer besitzt die Partei durchaus politische Talente unterschiedlicher Couleur –, ist bei "Aufstehen" die Zukunft noch sehr viel offener: von Selbstauflösung bis hin zur kommunitaristischen Parteiwerdung ist einiges vorstellbar. Dass Wagenknechts Rückzug nicht allein eine singuläre, individuelle Entscheidung ist und vielmehr die Basis tatsächlich eine größere Rolle spielen soll, legt eine Äußerung Fabio De Masis nahe. Der Linken-Fraktionsvize und Aufstehen-Mitgründer erklärte auf Freitag-Anfrage: "Ich hatte bereits bei den letzten Vorstandswahlen angekündigt, mich nach dem geplanten Kongress von Aufstehen zurückzunehmen. Ob ich mich bis dahin weiter an der Spitze engagiere, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Dies geschieht in enger Abstimmung mit Sahra Wagenknecht und den Akteuren von Aufstehen. Aufstehen war immer als Bewegung jener Menschen gedacht, die sich nicht alleine auf Parteien und Politiker verlassen wollen. Ich werde mich in jedem Falle wie Sahra Wagenknecht weiter bei Aufstehen engagieren."

 

Neues Deutschland: Wagenknecht will nicht erneut kandidieren

"Sahra Wagenknecht will den Vorsitz der Linksfraktion abgeben. In einer internen E-Mail an die Bundestagsfraktion, die dem »nd« vorliegt, schreibt die Politikerin, dass sie knapp zwei Monate lang ihre politische Arbeit krankheitsbedingt ruhen lassen musste. Inzwischen gehe es ihr wieder gut, Auslöser der Krankheit seien in erster Linie Stress und Überlastung gewesen. Dies habe ihr Grenzen aufgezeigt, »die ich in Zukunft nicht mehr überschreiten möchte«, so Wagenknecht. (...)

Am Wochenende hatte Wagenknecht erklärt, dass sie nicht mehr an der Spitze von »Aufstehen« aktiv sein wird. Linksfraktionsvize Fabio De Masi, der sich ebenfalls im Vorstand von »Aufstehen« engagiert, sagte dem »nd« am Montag: »In den nächsten Tagen werden wir die Leitung neu strukturieren. Erst danach wissen wir, wer weitermacht. Dies gilt auch für mich.«

»Aufstehen« sei immer als Bewegung jener Menschen gedacht gewesen, »die sich nicht alleine auf Parteien und Politiker verlassen wollen«, so De Masi. Ebenso wie Wagenknecht werde er sich weiter bei »Aufstehen« engagieren."