»Plan B statt deutscher Euro«
Fabio De Masi im Interview mit der jungen Welt
Das folgende Interview mit der jungen Welt erschien am 19.September in der gedruckten Ausgabe der jungen Welt und ist derzeit kostenpflichtig auf der Webseite der jungen Welt abrufbar.
junge Welt: Ist der Euro gescheitert?
Der Euro funktioniert nicht. Griechenland wurde gezwungen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, zu privatisieren, die Renten zu kürzen. Eine Politik, die die Rezession verstärkt und den Schuldenstand erhöht, wurde erreicht, indem Griechenland der Euro immer weiter abgedreht wurde.
Sollte Die Linke in einer solchen Situation für den Grexit – den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone – eintreten?
Ich erteile den Griechen keine Ratschläge. Jean-Luc Mélenchon, der Vorsitzende der französischen Partide Gauche, sagte, man solle Griechenland keine Lektion erteilen, aber man sollte seine Lehren daraus ziehen. Das teile ich. Es geht nicht nur um Griechenland, es geht um Europa. Ein Plan A – die Reform des Euros – kann nur gelingen, wenn man auch einen Plan B gegen den unkontrollierten Zerfall der Euro-Zone hat. Thatchers »There is no Alternative« darf niemals Credo der Linken sein.
Wie könnte so ein Plan B aussehen?
Wir müssen die Möglichkeit schaffen, dass sich ein Land dem Diktat des deutschen Finanzministers und der EZB entzieht. Für den Aufbau einer Wirtschaft braucht man eine Zentralbank, die Kredite und Investitionen finanziert. Es muss ein System geben, in dem die Wechselkurse gestützt werden. Das passiert jetzt bereits, etwa zwischen der Euro-Zone und Dänemark. Das Europäische Währungssystem war nie perfekt, aber der Druck auf »interne Abwertung« durch Lohnsenkungen schon einmal schwächer. Die Finanzminister können die EZB laut EU-Vertrag zur Stützung der Wechselkurse verpflichten.
Ihre Parteivorsitzende, Katja Kipping, fordert das Ende der Austeritätspolitik. Der Euro-Austritt bleibt für sie aber tabu. Unter anderem deshalb, weil rechte Parteien davon profitieren könnten. Sehen Sie das auch so?
Die Rechte profitiert vom deutschen Euro. Auch Sigmar Gabriels SPD hat bei der AfD kopiert. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz sagten vor dem griechischen Referendum, ein »Oxi« zu den Sparauflagen der Troika sei mit dem Euro unvereinbar. Solange die EZB einem Land, das sich weigert, die Depression zu vertiefen, den Euro abdrehen kann, sind wir machtlos.
Welche Mächte würde Die Linke herausfordern?
Die Bundesregierung strebt einen deutschen Euro an. Schäuble will mit der Vertiefung der Währungsunion Frankreich und Italien die D-Mark diktieren, jedoch ohne den Stoßdämpfer der Wechselkurse und ohne eigene Zentralbank. Ein Euro-Finanzminister soll in die nationalen Haushalte regieren und Sozialabbau von Beamten diktiert werden. Wettbewerbsbehörden sollen Gewerkschaften kastrieren, wenn Beschäftigte in Lohnverhandlungen zu frech werden.
Was bedeutet das im Hinblick auf das Programm der Linken?
Wir sollten unser Programm und die EU-Kritik ernst nehmen. Darin heißt es, wir wollen Europa neu begründen, und wir lehnen die EU-Verträge ab. Deshalb brauchen wir Alternativen gegen diese Politik, wie sie etwa vom früheren griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis vorgebracht wurden. Er fordert, sich notfalls mit der Einführung einer digitalen Schattenwährung zu wehren. Ich denke, wir brauchen eine Öffnung, nach dem Vorbild der französischenParti de Gauche. Wir brauchen einen Plan A für die Reform des Euro und müssen in Deutschland für höhere Löhne und öffentliche Investitionen kämpfen. Aber wir können Franzosen oder Italienern nicht sagen: wartet, bis wir den Kanzler stellen. Daher braucht es einen Plan B. Das passt hervorragend zur linken Doppelspitze Wagenknecht und Bartsch. Wer A sagt, muss auch B sagen.
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