Bullshit-Bingo: Wo sind die Wirecard-Milliarden?
Berliner Zeitung
Im Wirecard-Skandal wird weiter fieberhaft nach den fehlenden Milliarden gesucht. Wie stehen die Chancen der geprellten Aktionäre, doch noch etwas zu sehen?
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Jan Marsalek hat allerdings mehrere Gesichter: Er soll im Geheimdienstmilieu aktiv gewesen sein. Er brüstete sich, die Nowitschok-Formel zu besitzen, investierte in Libyen, soll kurz nach der Eroberung der Stadt durch den „Islamischen Staat“ ins syrische Palmyra gereist und mit den russischen Wagner-Söldnern in Kontakt gewesen sein. Mittlerweile ermittelt der Generalbundesanwalt gegen Marsalek.
Fabio De Masi, Chefaufklärer des Wirecard-Skandals im Untersuchungsausschuss des Bundestages, glaubt, dass die dunklen Kanäle ein Teil des Systems Wirecard gewesen sind. Der BSW-Europaabgeordnete sagte der Berliner Zeitung, er halte „es für undenkbar, dass Markus Braun nichts von Marsaleks Geheimdienst-Aktivitäten gewusst habe“. Marsalek habe „damit geprahlt“.
De Masi sagt, das Geschäftsmodell von Wirecard habe „aus Luftbuchungen sowie Geldwäsche für ein Dunkelfeld aus Organisierter Kriminalität und Nachrichtendiensten“ bestanden. Es gab „auch echte Zahlungsflüsse, sie hatten nur wenig mit dem behaupteten Geschäft zu tun“. De Masi weiter: „Die Geheimdienste mehrerer Länder dealten mit Marsalek und Wirecard. Es ist gut möglich, dass Marsalek im russischen Einflussbereich ist. Es ist genauso möglich, dass die Russen Marsalek als Tarn-Identität nutzen, um die Dienste anderer Länder vorzuführen.“ Darüber wolle er sich jedoch kein Urteil erlauben, ehe er „nicht handfeste Beweise mit eigenen Augen gesehen habe“.
Ob solche Beweise jemals ans Licht kommen werden? Beobachter glauben, dass es ein politisches Interesse an einem klaren Schnitt gibt: Es müsse ein Zeichen für 52.446 Geschädigte gesetzt werden, dass der Rechtsstaat funktioniert. Hier hilft die These von der „Luftnummer“: Wenn kein Geld da und einer der Hauptverdächtigen verschwunden ist, kann man das Ganze unter „Bullshit-Bingo“ abhaken, eine Bezeichnung, die Oliver Bellenhaus für das TPA-Geschäft geprägt hat. Fabio De Masi glaubt nicht, „dass Politik und Nachrichtendienste Interesse an der umfassenden Aufklärung haben“. Auch „die Rolle der Münchener Staatsanwaltschaft war sehr fragwürdig, als man Marsalek seelenruhig ausreisen ließ“, kritisiert De Masi.
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