"Kann dafür ins Gefängnis kommen!"

Interview Münchener Abendzeitung zu Olaf Scholz

27.12.2023

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Berlin - Die Cum-Ex-Affäre gilt als größter Steuerbetrug Europas. Aktienhändler, Anwälte, Banken und Finanzinstitute wickelten Geschäfte ab mit dem Ziel, eine nur einmalig bezahlte Steuer mehrfach erstattet zu bekommen. So wurde der deutsche Staat um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen.

Durch Absprachen zwischen mehreren Finanzakteuren wurden die Aktien zwischen diesen so oft hin und her gehandelt, dass das Finanzamt am Ende nicht mehr wusste, wer am Tag der Dividendenzahlung Aktionär des Unternehmens war. Die auf solche Zahlungen anfallende Kapitalertragsteuer von 25 Prozent wird Finanzinstituten unter Umständen erstattet. Und so stellten die Behörden mehr Steuererstattungsbescheide aus als eigentlich rechtens.

Die Privatbank M. M. Warburg in Hamburg verursachte durch Cum-Ex-Geschäfte über 100 Millionen Euro Steuerschaden. Die Finanzbehörden in Hamburg hatten Ende 2016 Forderungen für eine Steuernachzahlung in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Warburg-Bank einfach auslaufen lassen. Der Erste Hamburger Bürgermeister zu dieser Zeit: Olaf Scholz (SPD). Der damals einflussreiche SPD-Politiker Johannes Kahrs soll ein erstes Gespräch zwischen Warburg-Bank-Chef Christian Olearius und Scholz vermittelt haben. Daraufhin folgten noch zwei weitere Treffen im Rathaus.

Cum-Ex-Skandal: Bundeskanzler Olaf Scholz kann sich an mehrere Treffen nicht erinnern

Schon damals wurde gegen Olearius wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt. Der Bundeskanzler gab an, sich an die Treffen nicht mehr erinnern zu können. Olearius hatte allerdings Tagebuch geführt. Der Vorwurf gegen Scholz: Er habe Einfluss auf die Finanzverwaltung genommen, indem er Olearius riet, sein Schreiben direkt an den Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) zu richten.

Seit mehr als drei Jahren wird im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft der Frage nachgegangen, warum der Senat und die Steuerverwaltung die Steuerrückzahlungen rund um die Cum-Ex-Geschäfte haben verjähren lassen.

AZ: Herr De Masi, Sie hatten Bundeskanzler Olaf Scholz wegen Falschaussage in der Cum-Ex-Affäre um die Hamburger Warburg-Bank angezeigt. Weshalb?
FABIO DE MASI: Es geht dabei um Treffen von Olaf Scholz mit Hamburger Cum-Ex-Bankiers, die dazu führten, dass Hamburg auf die Einziehung von etlichen Millionen krimineller Cum-Ex-Tatbeute verzichtete. Zunächst wurde nur ein Treffen bekannt, obwohl der Hamburger Senat ein solches zuvor abgestritten hatte. Herr Scholz hat weitere Treffen auf meine Nachfrage im Bundestag zunächst nicht eingeräumt. Als Journalisten auch für weitere Treffen Beweise lieferten, behauptete er plötzlich, er habe Erinnerungslücken. Beim ersten Treffen, das bekannt wurde, hat er seinen damaligen Sprecher noch verkünden lassen: Ja, er könne das Treffen bestätigen, das gehe aus seinem Kalender hervor. Er verschwieg aber den häufigen Austausch mit dem Bankier, gegen den damals bereits ermittelt wurde. Im Hamburger Untersuchungsausschuss kam dann heraus, dass dieses eine Treffen gar nicht in Scholz' Kalender stand. Das hat er damit begründet, dass sein Kalender, als er als Finanzminister von Hamburg nach Berlin ging, nicht richtig überspielt wurde. Das ist von daher bemerkenswert, weil er damit ein Treffen bestätigt hat, über das er gar keine Aufzeichnung mehr hatte. Nach den Gesetzen der Logik geht das eigentlich nur, wenn ich mich daran erinnere. Damit hätte er bezüglich der Erinnerungslücken vor dem Untersuchungsausschuss gelogen.

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