Interview im Hamburger Abendblatt: "Wer bei mir Opposition bestellt, bekommt sie auch“

Linken-Politiker Fabio De Masi ist ein scharfer Kritiker der Cum-Ex-Deals – aber hadert mit seiner eigenen Partei. Jetzt denkt er über Rückzug nach

29.09.2020

Er gilt als einer der klügsten Finanzexperten im Deutschen Bundestag: Hartnäckig hat Fabio De Masi an der Aufdeckung von Finanzskandalen wie Cum-Ex und Wirecard mitgewirkt – und tut es weiterhin. Seine Partei, Die Linke, dankt es ihm aber nur eingeschränkt – vielen ist der 40 Jahre alte Hamburger Abgeordnete nicht radikal genug. Jetzt denkt der stellvertretende Chef der Linkenfraktion über den Abschied aus der Politik nach.

Herr De Masi, die kriminellen Cum-Ex-Geschäfte der Finanzbranche sind seit Jahren eines Ihrer "Lieblingsthemen“. Jetzt will sogar die Hamburger CDU einen Untersuchungsausschuss in der Bürgerschaft beantragen, in dem es um den möglichen Einfluss der Politik auf die Steuerbescheide für die Warburg Bank gehen soll. Fühlen Sie sich bestätigt? 

Fabio De Masi: Ja. Ich kämpfe seit Jahren gegen Finanzkriminalität und begrüße es sehr, dass die Union jetzt einen Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft unterstützt. Denn nur hier in Hamburg können wir die ganze Wahrheit über die Warburg-Affäre ans Licht bringen.

Von welcher Wahrheit gehen Sie aus? Glauben Sie wirklich, dass Olaf Scholz oder Peter Tschentscher Einfluss auf das Finanzamt genommen haben, damit dieses keine Steuern von Warburg zurückfordert – oder passt es der Linkspartei nur politisch gut, den beiden öffentlich diese Fragen stellen zu können? 

Ich wollte immer, dass Die Linke ihre Politik auch durchsetzen kann, und nach Lage der Dinge kann sie das nur mit der SPD. Wenn der Kanzlerkandidat der SPD in den Seilen hängt, ist das also kein Grund zur Freude. Aber ich kann ja nicht meine Glaubwürdigkeit an den Nagel hängen, indem ich ignoriere, dass aus meiner Sicht Olaf Scholz dem Deutschen Bundestag die Unwahrheit gesagt hat – und zwar mir persönlich.

Sie spielen auf die drei Treffen des damaligen Bürgermeisters Scholz mit Warburg-Mitinhaber Christian Olearius in den Jahren 2016 und 2017 an, von denen er zwei bis vor Kurzem verschwiegen hatte, weil er sich angeblich nicht mehr daran erinnert. 

Genau. Ob Herr Scholz in diesen Steuer-Fall eingegriffen hat, kann ich nicht belegen. Aber es gibt starke Indizien. Er hat nach meiner Auffassung die Unwahrheit über die Treffen mit Warburg-Bankier Olearius gesagt. Sich auf Erinnerungslücken zu berufen ist nicht glaubwürdig. Ich vergesse auch mal etwas – aber nicht mehrere Gespräche, in denen es um mehr als 40 Millionen Euro für unsere Stadt ging. Sich als Bürgermeister mehrfach mit einem Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren zu treffen, das geht nicht. Das sieht auch der Chef der Steuergewerkschaft so. Oder hätte Olaf Scholz Immobilienhai Felix Osmani empfangen?

Auf welche Art von Belegen hoffen Sie? Dass sich irgendeine Akte findet, an die Scholz oder Tschentscher am Rand "Bitte keine Steuern eintreiben – Warburg ist wichtig für die Stadt“ geschrieben haben? 

Nein, das glaube ich nicht. Es ist aber auch bei Kriminalfällen selten der Fall, dass Täter ihre Telefonnummer am Tatort hinterlassen. Kriminalfälle werden immer auch mit Indizien gelöst. Vielleicht packt ja auch jemand aus?

An welche Indizien denken Sie zuerst? 

Wenn Herr Olearius Herrn Scholz ein Papier übergibt, dieser ihn dann später anruft und rät, das Papier ohne Kommentar dem damaligen Finanzsenator Tschentscher zu übergeben und es dann über den Finanzsenator an das Finanzamt wandert, dann ist das wie eine versteckte Botschaft der Politik an die Finanzbeamten. Und ich glaube einfach nicht, dass eine Finanzbeamtin sich allein über mehrere Wochen einer Weisung des Bundesfinanzministeriums widersetzt, das Hamburg ja mehrfach angewiesen hatte, die Steuern einzutreiben.

Aber es ist doch bekannt, dass die Beamtin keineswegs allein entschieden hat, sondern dass sie sich mindestens mit ihren Vorgesetzten und der Steuerverwaltung in der Finanzbehörde abgestimmt hat. 

Das bestätigt mich. Im Bürgerschaftswahlkampf im Februar wurde immer behauptet, das entscheide in Hamburg allein das Finanzamt, die politische Ebene habe damit nichts zu tun. Die Finanzbehörde ist aber das Finanzministerium von Hamburg. (...)

Das ganze Interview gibt es auf der Webseite des Hamburger Abendblatts.