Tagesspiegel: Noch mehr Ungemach

Eine Presseschau mit Fabio De Masi

05.09.2020

Tagesspiegel: Noch mehr Ungemach, 05.09.2020, S.5

 

"Der Kanzlerkandidat der SPD hat neben der Wirecard-Affäre, in der es um mögliche Fehler der Finanzaufsicht geht, noch ein Problem in ähnlichem Zusammenhang: Olaf Scholz muss sich dem Vorwurf stellen, über Gespräche mit einem Hamburger Bankier in einer Steuersache nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. Der Bankier wiederum steht im Verdacht, mit dubiosen Aktiengeschäften den Staat um zig Millionen Euro betrogen – und zur Abwendung von Steuerrückforderungen Scholz benutzt zu haben. Es stehe der Verdacht im Raum, dass Scholz "den Bundestag belogen hat“, sagt die Grünen-Politikerin Lisa Paus. Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi nennt Scholz gar einen "Pinocchio“, der die Unwahrheit sage. (...)

Anfang März 2020 war Scholz in den Finanzausschuss des Bundestags geladen. Nach eigener Aussage befragte ihn De Masi dort zu dem Vorgang – von dem damals nur das Treffen 2017 und die zurückgezogene Forderung bekannt war. Der Linke hält Scholz nun vor, die weiteren Treffen 2016 damals nicht offenbart zu haben. Für Paus besteht der Verdacht, Scholz habe die Privatbank zu Lasten der Steuerzahler geschont. Der Finanzminister müsse schon nächste Woche in den Finanzausschuss kommen und "diesmal endlich die komplette Wahrheit sagen“. Die Linke toppte das am Freitag noch – sie beantragte eine Aktuelle Stunde des ganzen Parlaments. 

Für die SPD ist die Sache ungemütlich. Denn der Banker hat seinem Tagebuch nicht nur die Treffen mit Scholz anvertraut. Er kontaktierte demnach auch andere Sozialdemokraten, um sein Anliegen voranzubringen: Ex-Innensenator Alfons Pawelczyk und den Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der auch Spenden aus dem Verbund der Warburg-Bank bekam. Doch wird der Bundestag hier nicht viel weiterkommen. Ein Untersuchungsausschuss zu der Sache ist nur in der Hamburger Bürgerschaft möglich. Den gibt es bisher nicht. De Masi forderte die mit der SPD regierenden Hamburger Grünen auf, ihren Widerstand gegen einen solchen Ausschuss aufzugeben."