ND: Kollektiver Griff in die Staatskasse

Der erste Cum-Ex-Prozess endete mit milden Bewährungsstrafen für zwei Angeklagte. Eine Presseschau mit Fabio De Masi

19.03.2020

Neues Deutschland: Kollektiver Griff in die Staatskasse

"Cum-Ex-Geschäfte sind strafbar. Im bundesweit ersten Strafprozess um fragwürdige Aktiendeals hat das Bonner Landgericht die Angeklagten am späten Mittwochnachmittag verurteilt. Die Mehrfacherstattung von Steuern ist demnach als Straftat zu werten. Die zwei angeklagten Ak᠆tienhändler aus Großbritannien wurden wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem weiteren Fall zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde vom Gericht zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil entspricht den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Außerdem müssen Steuerschulden von rund 14 Millionen Euro zurückgezahlt werden.  

Schon die Anträge der Staatsanwaltschaft waren von Prozessbeobachtern aber als »überraschend milde« eingeschätzt worden. »Nur Bewährungsstrafen für Cum-Ex-Trader«, twitterte Gerhard Schick, der einst für die Grünen im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss im Bundestag saß und jetzt für »Bürgerbewegung Finanzwende« arbeitet. (...)

Insgesamt ging es in dem Prozess um einen Schaden von 400 Millionen Euro. Diese Summe könnte das Gericht von den Banken einziehen. Lediglich die hamburgische Privatbank M.M. Warburg, die an den Cum-Ex-Tricks beteiligt war, muss nun 176 Millionen Euro Steuerschulden zahlen.

Der Fall spielte eine Rolle sogar im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich in seiner Zeit als Bürgermeister heimlich mit Managern der Bank getroffen. Auch deshalb will der Finanzausschuss des Bundestages ihn auf seiner nächsten Sitzung hinter verschlossenen Türen befragen.

»Die Justiz braucht volle politische Rückendeckung«, fordert Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Hunderte Ermittlungsverfahren sind weit fortgeschritten. Erst im Februar durchsuchten Beamte eine Niederlassung der niederländischen Großbank ABN Amro in Frankfurt am Main. (...)"