»20 Jahre Euro – eine Bilanz«

Auswertung der Antwort der Bundesregierung vom 25.01.2019 auf die Kleine Anfrage „20 Jahre Euro – eine Bilanz" (BT-Drs. 19/7667) von Fabio De Masi u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

01.03.2019

Zusammenfassung:

  • Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass die EZB in der Reinvestitionsphase des PSPP-Programms in ein Reinvestitionsdilemma geraten könnte. Die Kombination aus dem neuem EZB-Kapitalschlüssel bzw. der größeren Gewichtung Deutschlands und wachsender Knappheit deutscher Anleihen könnte die EZB bald in einen Konflikt mit dem, 33%-Limit des Anleihekaufprogramms bringen. 
  • Die Bundesregierung merkt an, dass die Konvergenzkriterien (Art. 140 AEUV) nicht mehr ausreichen und eine Erweiterung der Kriterien durch eine vorgeschaltete Kooperation und Beitragszahlung mit den Institutionen der Bankenunion erfordern. Die zusätzlichen Kriterien sollen der Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion Rechnung tragen. 
  • Die Europäischen Staaten handeln heute weniger miteinander, als noch vor 20 Jahren. Der intra-Eurozonen Handel ist seit der Einführung des Euros von 69 Prozent auf 63,6 Prozent gesunken. 
  • Deutschlands Exportstrategie beginnt mit der Einführung des Euros. Seit der Einführung des Euros im Jahre 1999 hat sich die Leistungsbilanz von einem Defizit von -1,4 Prozent des BIPs auf einen Überschuss von über 8 Prozent entwickelt.

 

O-Ton Fabio De Masi finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

„Dem Exportjunkie Deutschland droht wegen internationaler Risiken und Rezession kalter Entzug. Fast ein Drittel der Arbeitsplätze hängen mittlerweile direkt oder indirekt vom Export ab. Deutschland muss die Binnennachfrage stärken, um den Exportüberschuss  kontrolliert abzubauen, bevor es zu negativen Schocks durch Strafzölle von Donald Trump oder einer Finanzkrise kommt. Dazu muss die Bundesregierung die gesetzlichen Lohnbremsen der Agenda-2010 lösen und die öffentliche Investitionslücke schließen."

 

„Der Euro hat angesichts der deutschen Exportstrategie die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum verschärft. Deutschland hat durch die Arbeitsmarktflexibilisierung und unzureichende Lohnentwicklung real abgewertet.  Eine supranationale Währungsunion hält derartige ökonomische Ungleichgewichte weder politisch noch ökonomisch auf Dauer aus“

 

Ergebnisse im Einzelnen:

Am 1. Januar 1999 erstmals als Buchgeld eingeführt, feiert der Euro dieses Jahr zwanzigjähriges Jubiläum. Der Euro sollte finanzielle Integration fördern und Wohlstand für die europäische Bevölkerung schaffen.

 

Entwicklung wirtschaftlicher Konvergenz und Integration 

  • Die Konvergenzkritierien (Art. 140 AEUV) um Beitritt in die EU tragen der Entwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion nicht mehr ausreichend Rechnung. Die Bundesregierung räumt in diesem Kontext ein, dass die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens im Euroraum berücksichtigt werden muss. Dazu gehört, wie auch im Falle Bulgariens, eine vorgeschaltete enge Kooperation mit dem Einheitlichem Aufsichtsmechanismus (SSM), dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowie Einzahlungen in den Abwicklungsfond (S. 2). Diese soll im Einvernehmen der Mitgliedsstaaten für zukünftige Beitritte ebenfalls Anwendung finden.  
  • Der Intra-Eurozonen Handel als Anteil des gesamten Handelsvolumen der Euroländer ist seit Einführung des Euros von 69 Prozent auf 63,6 Prozent gesunken (S.2). Das stellt die wirtschaftliche Integration der Eurozone seit Einführung des Euros in Frage. 
  • Die deutsche Leistungsbilanz gegenüber der Eurozone hat sich seit Einführung des Euros im Jahre 1999 von einem anfänglichen Leistungsbilanzdefizit von -0,3 % des BIPs auf ein Leistungsbilanzüberschuss von 2,4 Prozent des BIPs entwickelt. Der Leistungsbilanzüberschuss gegenüber der Welt hat sich von -1,4 Prozent im Jahre 1999 zu 8 Prozent in 2017 entwickelt (S.7). Auch im Jahre 2018 hat Deutschland wieder einen Rekordwert im Export erreicht (https://www.wiwo.de/politik/europa/statistisches-bundesamt-deutsche-exporte-auf-rekordhoch/23964464.html).  
  • Dem deutschen Gesamtauslandsvermögen von 8,5 Billionen Euro stehen 6,5 Billionen Euro ausländisches Inlandsvermögen gegenüber. Das ergibt ein Nettovermögen von 2 Billionen Euro, das sind ca. 62% des gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukts in dem Jahr 2017  (https://www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/das-deutsche-auslandsvermoegen-ende-2017-762458).  
  • Der Anteil der vom Inland gehaltenen deutschen Staatsanleihen ist seit 2005 um mehr als ein Viertel angestiegen, von anfänglich 29 Prozent in 2005 auf 43 Prozent in 2018. Während deutsche Banken einen wachsenden Anteil der deutschen Staatsanleihen halten, ist der Anteil der deutschen Haushalte an den inländisch gehaltenen Anleihen von 6 Prozent auf 0,4 Prozent gesunken (S.39). 

 

Änderung des EZB-Kapitalschlüssels

  • Deutschland profitiert vom neuen EZB-Kapitalschlüssel durch ein höheres Reinvestitionsvolumen, die genaue Höhe der Reinvestitionsvolumina ist der Bundesregierung allerdings nicht bekannt. Der neue Kapitalschlüssel der EZB erhöht perspektivisch die Käufe deutscher Anleihen in der Reinvestitionsphase (S. 42). 
  • Die erhöhten Reinvestitionsvolumina durch den neuen Kapitalschlüssel könnten durch die Haushaltskonsolidierungspolitik Deutschland in Konflikt mit dem 33%-Limit der EZB führen. Dazu kommt, dass die durchschnittliche Laufzeit der vom Eurosystem gehaltenen deutschen Anleihen kürzer ist, als z.B. der italienischen Anleihen. Die Vorgabe die Tilgungszahlungen wieder im selben Land zu reinvestieren könnte daher das Reinvestitionsvolumen in deutsche Anleihen im Vergleich zu anderen Euroländern noch weiter heben (vgl. https://www.ft.com/content/bf97360a-d14d-11e8-a9f2-7574db66bcd5).  
  • Besonders in Ländern wie Italien könnte das zu politische Unmut führen und anti-euro Ressentiments anheizen (https://www.omfif.org/analysis/commentary/2018/october/ecb-capital-key-dilemma-on-reinvestment/).   
  • Außerdem würde es das ohnehin knappe Angebot der sicheren Anleihen an den Finanzmärkten reduzieren, die von anderen Marktteilnehmern benötigt werden. 
  • Laut Bundesregierung ist es möglich, dass durch die Änderung des EZB-Kapitalschlüssels in Kombination mit der deutschen Haushaltskonsolidierung, also der Verminderung der deutschen Staatsschuldenquote, dazu führt dass die durch das PSPP-Programm vom  gehaltenen deutschen Anleihen 33%-Limit des ausstehenden Gesamtvolumens eines Landes übersteigt (S.44). 

 

Internationale Rolle des Euros

  • Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben der Europäischen Kommission, die internationale Rolle des Euros zu stärken. Derzeit erfolgen ca. 36 Prozent des globalen Zahlungsverkehrs in Euro. Die auf Euro lautenden Devisen beliefen sich 2018 auf 20,5 Prozent der weltweiten Devisenreserven. In den Schwellen- und Entwicklungsländern machten die auf Euro lautenden Devisenreserven 18,3 Prozent aus (S.46). 
  • Der in Euro denominierte Anteil der Güterexporte der Euroländer belief sich 2017 auf 57 Prozent, der Anteil der Güterimporte auf 47 Prozent. Bei den Dienstleistungen werden anteilig mehr Transaktionen in Euro abgerechnet, dabei belaufen sich die entsprechenden Anteile auf 63 Prozent bzw. 53 Prozent. Ein Viertel aller grenzüberschreitenden Kredite waren 2017 in Euro denominiert. Die auf Euro lautenden Kredite von Geschäftsbanken außerhalb der Eurozone an Kreditnehmer außerhalb der Eurozone beliefen sich auf 17% an allen Krediten außerhalb der Eurozone (S.47). 
  • Zur Bewertung der einzelnen Vorschläge der Europäischen Kommission zur Stärkung des Euros (COM(2018) 796 final) positioniert sich die Regierung folgendermaßen: 
  • Positive Bewertung einer EU-weiten, grenzüberschreitenden „Instant-Payment“-Lösung. 
  • Eine Stärkung der Rolle des Euro auf den Devisenmärkten hält die Bundesregierung für wünschens- und unterstützenswert.

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