»Pläne zur Schaffung eines Eurozonen-Budgets«

Auswertung der Antwort der Bundesregierung vom 08.02.2019 auf die Kleine Anfrage „Pläne zur Schaffung eines Eurozonen-Budgets" (BT-Drs. 19/7360) von Fabio De Masi u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

12.02.2019
Eurokrise

Zusammenfassung:

  • Die Bundesregierung sagt keinen zusätzlichen Euro für ein Eurozonen-Budget bzw. Investitionen zu. Das Eurozonen-Budget soll im EU-Haushalt verankert sein bzw. nationale Ausgaben ersetzen.
  • Eine Stabilisierung der Eurozone über das Eurozonen-Budget, wie von Frankreich eingefordert und im Fahrplan der Finanzminister enthalten, ist nicht mehr vorgesehen. 
  • Das Budget soll „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Annäherung“ anreizen (sprich Lohn- und Rentenkürzungen, Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung).
  • In zentralen Punkten besteht keine Einigkeit in der Regierung. Auch bzgl. einer EU-Arbeitslosenversicherung 
  • Angesichts des geringen Volumens des Euro Budgets und der Vorgaben bei der Nutzung von Geldern hätte eine Flexibilisierung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (z.B. kurzfristig Investitionen von Schuldenregeln ausnehmen) vermutlich größere wirtschaftliche Effekte

Bis Juni 2019 verhandeln die Finanzminister der Euroländer die Merkmale eines Haushaltsinstru- ments für die Eurozone aus. Das Mandat dazu wurde auf dem Euro-Gipfel im Dezember 2018 durch die Staats- und Regierungschefs der Euroländer vergeben. In seiner Ausgestaltung stellt sich die Frage nach der Finanzierung und dem Volumen sowie den Funktionen des Haushaltsinstruments, besonders im Hinblick auf eine Stabilisierungsfunktion bei asymmetrischen Schocks. 

Die Bundesregierung ist sich weiterhin uneinig darüber, ob das Haushaltsinstrument für die Eurozone eine Stabilisierungsfunktion innehaben soll. Eine Stabilisierungsfunktion würde über Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit hinausgehen, da nicht nur Investitionen finanziert würden, sondern auch staatliche Ausgaben, die im Zuge asymmetrischer Schocks (zum Beispiel höhere Sozialausgaben im Abschwung, um einen Einbruch der Nachfrage abzufedern) anfallen und die schnell wirken. 

Die Bundesregierung ist sich weiterhin uneinig darüber, aus welchen finanziellen Mitteln sich das Haushaltsinstrument für die Eurozone zusammensetzen soll,  hält sich „Mittel aus Steuereinnahmen“ aber weiterhin als Option offen. Weiterhin soll das Haushaltsinstrument laut Euro-Gipfel-Erklärung vom 14 .Dezember im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens festgelegt werden. Die genaue finanzielle Ausgestaltung ist also weiterhin offen. 

Eine Errichtung eines Fonds zur Stabilisierung nationaler Arbeitslosenversicherungen ist weiterhin offen. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, dass die Option eines Fonds für eine europäische Arbeitslosenversicherung verworfen wurde, schreibt die Bundesregierung, dass sie keine abschließende Position hierzu vertritt.

Die Bundesregierung bewertet den Beitrag des EFSI (Juncker Fonds) zur Verringerung der Investitionslücke positiv, schließt sich aber der Kritik des Europäischen Rechnungshofes an der Zusätzlichkeit der geförderten Projekte an (wenn Investitionen gefördert werden, die ohnehin geplant waren, würden nur öffentliche Gelder abgegriffen). Die Absicherung, dass Projekte nur dann finanziert werden, wenn sie durch anderweitige öffentliche oder private Mittel nicht finanziert werden können, ist daher ein Schwerpunkt der deutschen Verhandlungsführung zum Investitionsprogramm InvestEU.

 

O-Ton Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

"Die GroKo ist ein europapolitischer Schlafwandler. Die einigen sich auf nichts mehr, während in Europa die Hütte brennt. Das Eurozonen-Budget ist eine Fata Morgana, es gibt keinen Cent zum EU-Haushalt oben drauf. Steuern auf hohe Vermögen oder Maßnahmen gegen Steuertricks der Konzerne könnten den Euro stabilisieren und sind für den sozialen Frieden in der EU überfällig. Der EU-Haushalt steht wegen des Brexits bereits unter Druck. Ein Euro-Budget zur Stabilisierung von Investitionen ist auch wegen des Abschwungs sinnvoll. Die Bundesregierung will den Haushalt jedoch an nachfrage- hemmende Strukturreformen wie Lohn- und Rentenkürzungen knüpfen. Das Budget ist kaum noch das Papier wert, auf dem es steht. Investitionen sollten daher aus den Schuldenregeln von Maastricht aus- genommen werden, da sie die Wirtschaft anschieben und Vermögen für zukünftige Generationen schaffen. Es ist sinnvoll, Investitionen auch über Kredite zu finanzieren. Dafür braucht es keinen zu- sätzlichen Cent aus einem Eurozonen-Budget. Die Bundesregierung muss mehr öffentlich investieren, um eine dauerhafte Transferunion in der Eurozone zu vermeiden!“

 

"Nur eine europäische Arbeitslosenversicherung, die im Notfall die Liquidität nationaler Sozialkassen gewährleisten könnte, würde Sinn machen. Bisherige Vorstöße hingegen knüpften Unterstützung an Arbeitsmarktreformen á la Agenda 2010, die nicht im Sinne der Mehrheit der EU-Bürger sind."

 

Ergebnisse im Einzelnen:

  • Die vorsorglichen Instrumente des ESM, sowie die gemeinsamen Fiskalregeln in der EU und die damit einhergehenden nationalen fiskalischen Spielräume sind nach Ansicht der Bundesregierung die Instrumente der Eurostaaten, asymmetrische ökonomische Schocks innerhalb der Eurozone auszugleichen. Angesichts des öffentlichen Schuldenstands in den Euroländern und dem damit eingeschränkten fiskalischen Spielraum, erscheinen die vorsorglichen Instrumente des ESM als einzige Option asymmetrische Schocks auszugleichen.
  • Die Bundesregierung teilt die Kritik des Europäischen Rechnungshofes, dass die Additionalität des EFSI (Juncker-Fonds) zu verbessern ist und im nächsten Investitionsprogramm („InvestEU“) stärker zu berücksichtigen ist. Dabei sollen verstärkt Projekte gefördert werden, die ansonsten keine finanziellen Mittel erhalten hätten.
  • Grundsätzlich befürwortet die Bundesregierung spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz sowie für die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone. Das Haushaltsinstrument für die Eurozone soll aber ein Investistivhaushalt in Innovationen und Humankapital sein. Er könnte nach Ansicht der Bundesregierung nationale Ausgaben ersetzen. 
  • Bezüglich einer expliziten Stabilisierungsfunktion hat sich die Bundesregierung noch nicht positioniert. In der Erklärung des Euro-Gipfels vom Dezember 2018 ist eine Stabilisierungsfunktion nicht mehr erwähnt. Da die Stabilisierung der Wirtschaft in Zeiten asymmetrischer Schocks andere Ausgaben verlangt als durch ein Investitionsförderungsprogramm getätigt würden, würde der Einbezug einer Stabilisierungsfunktion das Haushaltsinstrument deutlich von bereits bestehenden Investitionsprogrammen unterscheiden. 
  • Die Bundesregierung hat außerdem keine abschließende Position bezüglich der Finanzierung des Haushaltsinstruments. Die Erklärung des Euro-Gipfels im Dezember 2018 hat sich deutlich für ein Haushaltsinstrument „im Rahmen des MFR“ (Mehrjährigen Finanzrahmens) ausgesprochen, die Antwort der Bundesregierung schließt eine anteilige Finanzierung aus „Steuereinnahmen“ aber nicht aus. Hierzu scheint es innerhalb der Bundesregierung noch Uneinigkeit zu geben. 
  • Die Möglichkeit einer temporären Freistellung von Beiträgen der Euroländer zu einem Eurozonen-Haushalt durch den ESM spielt keine Rolle mehr. Diese Möglichkeit war im Rahmen des Fahrplans der Finanzminister genannt worden, um die Haushalt in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs zu entlasten und sich an die jeweilige national konjunkturelle Lage anzupassen. 
  • Auch im Hinblick auf das Volumen des Haushaltsinstruments für die Eurozone hat die Bundesregierung sich noch nicht positioniert. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire bezeichnete zuletzt ein Volumen von bis zu 25 Mrd. Euro und somit etwa 0,2% des Bruttoinlandsproduktes (BIPs) der Eurozone als eine gute Ausgangslage (https://www.handelsblatt.com/politik/internatio- nal/waehrungsunion-euro-zonen-budget-scholz-zeigt-le-maire-die-grenzen-auf/23650458.html). 
  • Die Bundesregierung hat noch keine abschließende Position bezüglich des Fonds zur Stabilisierung nationaler Arbeitslosenversicherungen. Obwohl diese nicht Teil der Erklärung des Euro-Gipfels von Dezember 2018 ist, scheint das Projekt noch nicht komplett verworfen. 

 

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