Bitcoin: Eine Gefahr für Anleger und die Finanzstabilität
Sahra Wagenknecht und Fabio De Masi im Handelsblatt
Der Beitrag erschien am 21 Dezember 2017 im Handelsblatt
Der Bitcoin-Hype nährt die Illusion, man könne ohne Arbeit reich werden. Das ist meist nur Vermögenden oder Betrügern vergönnt. Umso unverantwortlicher ist es, dass Finanzwetten mit Bitcoin erlaubt sind.
Bei Bitcoins herrscht Goldrausch. Der Kurs hat sich innerhalb nur eines Jahres verzwanzigfacht und zwischenzeitlich die Marke von 20.000 US-Dollar übersprungen. Immobilien, Rohstoffe, Kunstwerke oder eben Krypto-Währungen eignen sich gut für Spekulationen, da sie sich nicht beliebig schnell vermehren lassen und ihre Preise daher bei starker Nachfrage durch die Decke gehen. Heftige Kurseinbrüche, die Flash Crashs, verdeutlichten jedoch die Gefahr für Anleger und Finanzstabilität.
Es ist ein altes Spiel: Ob Tulpenrausch im 17. Jahrhundert, Gold oder New Economy: Immer wieder herrscht die Illusion, man könne ohne Arbeit reich werden. In der Realität aber ist das zumeist nur Vermögenden oder Betrügern vergönnt. Umso unverantwortlicher ist die Zulassung von Finanzwetten mit Bitcoin (Derivaten) durch die US-Finanzaufsicht.
Die Anhänger von Bitcoins sind überzeugt, dass Krypto-Währungen eine Alternative zum Bankengeld sein könnten. Es gibt gute Gründe, unser Geldsystem nicht den Banken zu überlassen. Aber Bitcoins schaffen nicht mehr Sicherheit, sondern verstärken Unsicherheit.
Schon Mitte des 20. Jahrhunderts hat der Kopf der Freiburger Schule, Walter Eucken, dafür plädiert, im Interesse einer stabilen Finanzarchitektur den privaten Banken die Möglichkeit zur Geldschöpfung zu nehmen. Dennoch wird unser Geld nach wie vor – ja, mehr denn je – nicht vorrangig durch Zentralbanken „gedruckt“, sondern durch private Marktteilnehmer geschaffen. Der überwiegende Teil unser Geldmenge – etwa 97 Prozent je nach Definition – sind Schuldverschreibungen von Geschäftsbanken – und nicht von der Zentralbank in Umlauf gebrachte Scheine. Das so genannte Giral- oder Buchgeld entsteht per Knopfdruck.
Spielgeld für neue Finanzwetten
Wenn Banken privaten Haushalten oder Unternehmen Kredit geben, schaffen sie neue Guthaben. Und zwar unabhängig davon, ob sie zuvor Ersparnisse anderer Kunden eingeworben haben. Die Banken haben ein großes Interesse daran, dass aus den 97 Prozent irgendwann 100 Prozent werden. Denn je geringer die Rolle des Bargelds, desto größer die Gewinnmöglichkeiten und die Macht der Banken.
Welche Rolle aber spielen Zentralbanken? Sie können Geschäftsbanken Wertpapiere abkaufen, um Reserven (Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank) zu schaffen, und sie können Wertpapiere verkaufen, um Reserven zu vernichten. Die Europäische Zentralbank tut im Rahmen des OMT-Programms vor allem ersteres: Sie hat durch den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen bis zu 60 Milliarden Euro monatlich in den Markt gepumpt und auch die Zinsen auf null gedrückt.
Tatsächlich wurde Spielgeld für neue Finanzwetten geschaffen. Denn billiges Geld landet bei Kürzung von öffentlichen Investitionen, Löhnen und Renten auf den Finanzmärkten, nicht in der realen Wirtschaft. Daher sind auf den Vermögensmärkten gigantische Blasen entstanden. Der aktuelle Kurs des Bitcoin ist eine davon. Und wie jede Finanzblase wird diese irgendwann platzen. Dadurch wird nicht nur Vermögen vernichtet, sondern erneut dürfte ein rapider Wertverfall bei Aktien, Anleihen oder auch Immobilien Banken im Euro-Raum gefährden.
Die Politik wird dann, entweder dem Zusammenbruch des Zahlungsverkehrs und der Enteignung von Millionen Kleinsparern tatenlos zusehen müssen – oder, was wahrscheinlicher ist, erneut Steuergeld in die Rettung privater Institute und ihrer Anleger pumpen. Wobei dies angesichts der Zunahme der Staatsverschuldung seit der Finanzkrise in einigen Ländern kaum noch möglich ist. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die EZB kürzlich in einer Stellungnahme anregte, die EU-weite gesetzliche Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Konto im Falle einer schweren Finanzkrise – also dann, wenn man sie braucht! – auszusetzen.
Totale Privatisierung des Geldes
Die Geldpolitik der Zentralbanken erreicht somit kaum noch die reale Wirtschaft. Zentralbanken können zwar die kurzfristigen Zinsen verändern, um Kreditschöpfung anzukurbeln oder zu verteuern. Aber eine Senkung der Zinsen führt bei schwacher Nachfrage nicht automatisch zu mehr Krediten und Investitionen, zumal die Geschäftsbanken Kredite rationieren und niedrige Zinsen nur selektiv weitergegeben.
So müssen kleine Unternehmen nicht selten einen Teil ihres Finanzierungsbedarfs durch teure Dispokredite abdecken. Auch die Kaufkraft ärmerer Familien wird durch Wucher-Zinsen für Überziehungskredite geschmälert. Eine extreme Erhöhung der Zinsen hingegen kann zwar jede Spekulationsblase zum Platzen bringen und Kredite verteuern. Solche Zinserhöhungen treffen aber nicht nur einzelne Märkte, wie den Immobilienmarkt, sondern würgen meist die komplette Wirtschaft ab.
Kryptowährungen bieten jedoch keine Alternative zu diesen Schwächen des Geldsystems. Sie dienen der totalen Privatisierung des Geldes, was immer wieder in Krisen mündet. Wir brauchen daher mehr statt weniger öffentliche Kontrolle der Geldsystems. Dazu muss die Rolle von Zentralbanken gestärkt werden. Hier vier Ideen, die teilweise bereits erfolgreich praktiziert wurden:
Erstens könnten Zentralbanken Geschäftsbanken zwingen, Kredite (nicht Guthaben) in einem Land oder in einem Wirtschaftszweig, in dem es zu Blasen kommt, mit hohen Mindestreserven zu unterlegen. So könnte Überhitzungen – etwa im Immobiliensektor oder bei unterschiedlichen Konjunkturen im Euro-Raum – chirurgisch präzise begegnet werden. Dies ist bei einer Inflation auf den Finanz- und Vermögensmärkten, aber auch bei einer Depression in der Realwirtschaft oder unterschiedlichen Dynamiken in Euro-Ländern zielführender als der Hammer der Zinspolitik.
Blick auf die Finanzkrise
Zweitens könnten Zentralbanken den privaten Haushalten und Unternehmen ermöglichen, ihr Girokonto sicher auf Konten bei der Zentralbank zu führen oder sie könnten Banken zwingen, kurzfristige Kundeneinlagen mit 100 Prozent Reserven zu unterlegen. Dann wären diese Kundeneinlagen so sicher wie Bargeld und der Geldschöpfung der Geschäftsbanken entzogen. Die schwedische Reichsbank diskutiert die Einführung einer solchen von der Zentralbank garantierten E-Krone für das digitale Zeitalter.
Drittens könnten Zentralbanken den Geschäftsbanken Liquidität nur dann gewähren, wenn diese einen gewissen Prozentsatz der Kredite für sinnvolle Investitionen vergeben, etwa in Forschung, Bekämpfung des Klimawandels oder die Schaffung von Arbeitsplätzen in schwachen Regionen. Japan hat sein Wirtschaftswunder in der Nachkriegsära auch derartiger Kreditsteuerung zu verdanken.
Viertens könnte die Zentralbank im Rahmen ihres Inflationsziels und ihrer gewünschten Zinspolitik direkt öffentliche Investitionen anschieben, statt über den Kauf von Wertpapieren die Börsen und Vermögenden zu subventionieren. In Kanada war es bis in die 1970er Jahre üblich, dass die Zentralbank auch Staatsausgaben finanzierte.
Es ist nicht einsichtig, warum Geld für Investitionen inflationär wirken sollte, während Finanzwetten und enthemmte Geldschöpfung der Banken als unproblematisch gelten. Zentralbanken könnten über ihre Zinspolitik jederzeit staatliche Investitionen wieder verteuern. Es ist auch wenig überzeugend, dass Banken unser Geld angeblich jederzeit besser verteilen als Zentralbanker oder Finanzminister. Ein Blick auf die Finanzkrise oder auf die von Banken finanzierten Immobilienwüsten an spanischen Stränden genügt, um diese Annahme zu widerlegen.
Dr. Sahra Wagenknecht ist Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. Fabio De Masi ist Abgeordneter der Linken im Bundestag.
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