Welt: Wirecard-Expansion in China – Die Skrupel der deutschen Botschaft

Während Kanzlerin Merkel sich 2019 in China für Wirecard einsetzte, versagte die deutsche Botschaft in Peking dem Konzern die Unterstützung. Das wirft Fragen auf.

20.09.2020

Welt: Wirecard-Expansion in China 

"Eines kann man Wirecard nicht nachsagen: schlechte Verbindungen in die Politik. Noch im September 2019 setzte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Staatsbesuch in China für den Konzern ein. Weniger als ein Jahr später, im Juni 2020, war der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München erledigt. Der größte Bilanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte war nicht mehr abzustreiten. In der Rückschau wirkt es erstaunlich, wie unkritisch die Bundesregierung war.

Es gab jedoch auch innerhalb der Regierung kritische Stimmen. So versagte die deutsche Botschaft in Peking dem Konzern die Unterstützung – weil ein Finanzreferent bei der Zeitungslektüre aufgepasst hatte.

Wirecard hatte unter anderem vor, einen chinesischen Zahlungsdienstleister zu übernehmen und sich so den Zugriff auf wichtige chinesische Lizenzen zu sichern. Im Namen von Wirecard wandte sich darum das Beratungshaus Spitzberg Partners des früheren Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) an die Botschaft und bat um Unterstützung des Vorhabens und der Expansion in China. (...)

Der Linken-Finanzexperte Fabio De Masi, einer der Treiber für die Einrichtung des Untersuchungsausschusses, hält den Vorgang für höchst problematisch. „Es ist erstaunlich, dass der Finanzattaché der deutschen Botschaft in Peking besser über die mit Wirecard verbundenen Probleme Bescheid weiß als der wirtschaftspolitische Chefberater der Bundeskanzlerin, Herr Röller. Wenn Röller im Ausschuss nun behauptet, ihm sei die Schwere der Vorwürfe aus der ,Financial Times' nicht klar gewesen, ist das völlig unglaubwürdig.“

De Masi zufolge stellt sich nun die Frage, seit wann die Botschaft Bedenken gegenüber Wirecard gehegt habe – und ob sie diese auch nach Berlin weitergegeben habe. „Das Kanzleramt hätte sich vor der Dienstreise der Kanzlerin nach China und ihrer dortigen Werbetour für Wirecard kundig machen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, die schweren Vorwürfe gegen den Konzern waren im Kanzleramt bekannt.“

Auch die Informationspolitik der Regierung kritisiert De Masi als „permanente Salamitaktik“: „Ich bin sehr verärgert. Wir hatten die Bundesregierung bereits nach dem Lobbying von Guttenberg gefragt und nach der diplomatischen Korrespondenz. Die Kontakte zwischen Wirecard und der deutschen Botschaft in Peking wurden zunächst verschwiegen.“

Die Linke will auch Merkel im anstehenden Untersuchungsausschuss vorladen, allerdings am Ende des Prozesses, wenn mehr Klarheit geschaffen worden sei, und nur im Einvernehmen mit Liberalen und Grünen."

 

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