Süddeutsche Zeitung: Der Druck auf die Regierung wächst

Das Finanzministerium beteuert, Informationen ans Kanzleramt weitergegeben zu haben. Unklar ist, ob sie Merkel auch erreichten.

20.07.2020

Süddeutsche Zeitung: Der Druck auf die Regierung wächst

"Die Betrugsaffäre um den Zahlungsdienstleister Wirecard sorgt für Turbulenzen in der großen Koalition. Das Bundesfinanzministerium teilte am Montagabend mit, man habe das Kanzleramt unmittelbar vor einer geplanten Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die laufenden Ermittlungen der Finanzaufsicht Bafin gegen den Zahlungsdienstleister Wirecard wegen mutmaßlicher Marktmanipulation informiert. "Am 23. August 2019 hat das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des Kanzleramts per E-Mail verschiedene Informationen zum Fall Wirecard weitergegeben", sagte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Unter anderem sei auf Auskünfte der Bundesregierung auf verschiedene Anfragen von Bundestagsabgeordneten zu Vorwürfen gegen Wirecard hingewiesen worden. Die Auskünfte seien auf Arbeitsebene übermittelt worden, also nicht vom Minister selbst oder höheren Beamten.

Ob die Auskünfte Angela Merkel erreicht haben, blieb am Montag zunächst ungeklärt. Merkel hatte auf ihrer Reise nach China Anfang September 2019 die dortige Regierung über das geplante Chinageschäft von Wirecard informiert. Das bestätigte eine Regierungssprecherin am Montag. Ob Merkel zu diesem Zeitpunkt bereits von dem Verdacht wusste, ließ die Sprecherin offen. Merkel habe jedenfalls im Februar 2019 keine Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gehabt. Der Skandal sei "ein großes, wichtiges Thema, bei dem sich die Bundesregierung um umfassende Aufklärung bemüht". (...)

Es sei unakzeptabel, dass alle Beteiligten "auf Dienst nach Vorschrift" verwiesen, sagte Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz. Merkel hätte von den zuständigen Ministern und Behörden längst gewarnt sein müssen. Florian Toncar (FDP) forderte zu klären, "ob Wirecard als vermeintliches Vorzeigeunternehmen von der Politik eine Vorzugsbehandlung bekommen habe". Die Sondersitzung sei "die letzte Chance, einen Untersuchungsausschuss abzuwehren", sagte Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi."