Die Zeit: Ergebnis der Europawahl – Zerrissene Linke

Eine Presseschau mit Fabio De Masi zur Europawahl

27.05.2019

Die Zeit: Zerrissene Linke

"Die Europawahl war für die Linke ein Schock. Nun diskutiert die Partei über strategische und personelle Konsequenzen – und kommt zu ganz unterschiedlichen Schlüssen. 

Es kommt bei der Linken selten vor, dass die Gefolgsleute von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und Parteimitglieder, die eher dem Vorstand nahestehen, einer Meinung sind. Doch was das Ergebnis der Linkspartei bei der Europawahl angeht, ist ausnahmsweise genau das der Fall: Niederschmetternd sei es gewesen, hört man am Montag von beiden Seiten.

Mit 5,5 Prozent hat die Linke nicht nur ihr schwaches Ergebnis von 2014 noch unterboten. Man habe auch, so sagt es der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion Fabio De Masi, erstmals schwächer abgeschnitten als die frühere PDS. "Und das trotz der historischen Schwäche der SPD."

Dabei war die Linke diesmal mit großen Hoffnungen in den Wahlkampf gezogen. Zweistellig wolle man werden, erklärte die Parteispitze zu Beginn des Wahlkampfes. Sie setzte dabei vor allem auf die jungen Großstädter und Großstädterinnen, bei denen die Linke zuletzt deutlich hatte zulegen können. An dieser proeuropäisch eingestellten Wählergruppe richtete die Partei ihre Strategie aus: Statt der Kritik an Europa sollte die grundsätzliche Zustimmung zur EU im Vordergrund stehen, auch wenn die Linke diese in vielerlei Hinsicht für verbesserungsbedürftig hält. In der Flüchtlingspolitik vertrat man ebenfalls vor allem Positionen, die im Milieu der Zielgruppe gut ankommen: die Forderung nach offenen Grenzen etwa oder der Ausbau der Seenotrettung.

Ist diese Strategie gescheitert? De Masi, ein Anhänger Wagenknechts und Mitglied ihrer Sammlungsbewegung Aufstehen, findet jedenfalls: "Alle, die geglaubt haben, nach dem Rückzug von Wagenknecht steigt eine Party, irren." Eine Kopie der Grünen zu sein, reiche für die Linke nicht. "Wer die Umwelt retten will, muss sich mit Reichen und Konzernen anlegen und auch Menschen erreichen, die Angst vor dem Abstieg haben." Wenn die AfD in Sachsen 30 Prozent habe und die Linke nur noch neun, dann müsse einem das doch zu denken geben.

De Masi und andere Abgeordnete aus dem Wagenknecht-Lager fordern deshalb nach der Europawahl eine Debatte über die Strategie der Partei – aber auch über personelle Konsequenzen. De Masi schlägt vor, den eigentlich erst im kommenden Sommer stattfindenden Parteitag auf die Zeit nach der Thüringen-Wahl im Oktober vorzuziehen. An die Spitze der Partei müssten dann Leute gewählt werden, die über ihre Milieus hinaus Menschen erreichten. (...)