Zwischen Aktien und Amt

01.12.2023

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Abgeordnete haben Zugang zu exklusiven Informationen, die an der Börse Vorteile bringen können. Doch die Regeln für Aktien sind im Bundestag lax.

Hedgefonds fragen Parlamentarier

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Einer, der als Bundestagsabgeordneter nach eigenen Angaben auf aktive Finanzanlagen verzichtet hat, ist Ex-Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi. Vier Jahre lang konnte er bis zu seinem Ausscheiden 2021 aus der Nähe beobachten, wie seine Kollegen mit Aktieninvestments umgingen. „Ich weiß von etlichen Abgeordneten, die über Einzeltitel verfügen und zuweilen darüber Scherze machten, wie sich diese oder jene Entscheidung auf ihr Portfolio auswirken wird“, sagt der studierte Volkswirt, der mit Ende seines Mandats ETFs kaufte und diese sowie sein Vermögen (rund 70.000 Euro) offenlegte. Namen nennt er nicht.

De Masi findet es „bemerkenswert“, dass sich Bundestag und Regierung laschere Regeln geben als international und teils selbst in der Privatwirtschaft üblich. „Abgeordnete erhalten permanent börsenrelevante Informationen“, sagt er. Viele hätten Kenntnisse über Diskussionen in Ministerien zu Gesetzen. Parlamentarier-Delegationen ins Ausland dienten oft für Gespräche über Pläne deutscher Unternehmen. Selbst professionelle Investoren versuchten, vom Informationsvorsprung von Bundestagsmitgliedern zu profitieren – mit Anfragen nach unveröffentlichten Daten.

So hätten Hedgefonds öfter die Antworten auf parlamentarische Anfragen De Masis haben wollen, noch bevor diese öffentlich zugänglich wurden. Abgeordnetenwatch hält es für „sehr realistisch“, dass solche Informationen oft auch ausgehändigt werden. Auch eigene Entscheidungen wie für das Sondervermögen der Bundeswehr oder jegliche Regulierung könnten sich auf Kurse auswirken, führt De Masi aus.

Geht er davon aus, dass es viele unentdeckte Fälle von Interessenkonflikten bei Aktiengeschäften im Bundestag gibt? „Selbstverständlich“, sagt er. „Wenn Abgeordnete schon mit Schutzmasken dealen, werden einige dies auch gezielt mit Aktien tun.“ Er vermutet, dass besonders der Verteidigungsausschuss zuletzt „von hohem Interesse für Glücksritter“ war.