Wie sich der heutige Kanzleramtschef für eine IT-Firma einspannen ließ

Capital/Stern/DIE WELT

24.11.2023

Erschienen bei Capital und DIE WELT und Stern

 

Capital;

Der Ex-Eigentümer der IT-Sicherheitsfirma Virtual Solution ist wegen Kontakten ins Netzwerk von Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in die Schlagzeilen geraten. Neue Akten zeigen, wie der russlandnahe Investor den Scholz-Vertrauten Wolfgang Schmidt für seine Geschäftsinteressen einsetzte – trotz Beschwerden von Beamten

Es war Mitte September, als der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner von merkwürdigen Dingen berichtete. Stegner saß in der Talksendung von Micky Beisenherz auf n-tv, eines der Themen war die Affäre um den Rauswurf des BSI-Präsidenten Arne Schönbohm. Den Chef der Cyberabwehrbehörde hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon im Herbst 2022 unter noch immer nicht völlig geklärten Umständen vor die Tür gesetzt. Die Affäre verfolgte Faeser bis in den Wahlkampf in Hessen, wo sie eigentlich Ministerpräsidentin werden wollte. 

In der Talksendung vier Wochen vor der Hessen-Wahl sprang SPD-Mann Stegner seiner Parteifreundin zur Seite – gegen die heftige Kritik aus der Union an Faesers Umgang mit Schönbohm. „Achten Sie darauf, was sich da noch alles tut“, setzte Stegner an und prophezeite: „Da gibt es eine Firma Virtual Solution zum Beispiel, da gibt’s alle möglichen Dinge, die werden noch ans Tageslicht kommen.“ Auf den Einwand des Moderators, das klinge reichlich nebulös, entgegnete Stegner: „Da gibt’s eine ganze Menge, Wirecard, ehemalige Manager spielen da eine Rolle.“ 

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Wie gut die Drähte von Rintelens zu Schmidt in seiner Zeit im Bundesfinanzministerium (BMF) zeitweise waren, zeigen jetzt bisher unbekannte Akten aus der Bundesregierung aus den Jahren 2020 bis 2022. Die Herausgabe der Unterlagen hat der frühere Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi über Monate mit mehr als zehn Informationsfreiheitsanträgen erzwungen. Die umfangreichen Akten mit internen Mails und Vermerken liegen Capital und der „Welt am Sonntag“ vor. 

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Öffentlich größer auf den Schirm geraten war die Firma Virtual Solution erstmals im Frühjahr 2021 im Wirecard-Untersuchungsausschuss. Damals thematisierte der Linken-Abgeordnete De Masi die Aussage eines Kompagnons und Fluchthelfers von Marsalek in einer Vernehmung, wonach sich der damalige Firmeneigentümer von Rintelen und der Wirecard-Manager „näher“ gekannt hätten. Nach der Sitzung meldete sich Finanzstaatssekretär Schmidt bei De Masi: Ob er noch mehr Informationen zu den Kontakten des Virtual-Solution-Inhabers habe, damit man sich „kümmern und nachfassen“ könne, fragte Schmidt. Am Telefon, so erinnert sich De Masi, habe Schmidt zudem gesagt, Scholz sei sehr besorgt.

Umso überraschender war es, als später herauskam, mit wem in der Bundesregierung von Rintelen zuvor besonders häufige Kontakte unterhalten hatte: ausgerechnet mit Schmidt. Auf Anfragen von Abgeordneten gab die Bundesregierung für Februar 2020 vier Kontakte an, davon drei per Mail und ein persönliches Treffen. Im Januar 2021 gab es demnach einen Mailkontakt und ein Telefonat zwischen Schmidt und von Rintelen. 

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Beschwerden über „unangenehm nachhaltige“ Einflussnahme

Nach den Erfahrungen in der NSA-Abhöraffäre und Angela Merkels Kanzlerhandy sei es richtig, wenn sich Deutschland bei der Cybersicherheit um Unabhängigkeit von US-Unternehmen bemühe, sagt Wirecard-Aufklärer De Masi. Bei Bedarf sei es sogar sinnvoll, entsprechende Firmen staatlich zu subventionieren. „Aber man überwindet die Abhängigkeit von den USA nicht, indem man die Cybersicherheit Deutschlands in die Hände eines dubiosen Investors begibt, der enge Verbindungen zu einem Kreml-Oligarchen unterhält und mit Marsalek und dessen Fluchthelfern Geschäfte anbahnte“, sagt er.