Warburg Affäre: 27 Mal in der Anklageschrift: der Name Olaf Scholz

Der Spiegel

17.09.2023
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Warburg-Chefbanker Christian Olearius steht wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Die Anklage schürt Zweifel an der Rolle von Olaf Scholz – und zeigt, wie skrupellos Olearius versucht haben soll, den Politiker einzuspannen.

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Wusste Olearius, was er tat?

Die Ermittler gehen davon aus, dass Olearius bis ins Detail wusste, was er tat. Die Cum-ex-Geschäfte seien darauf ausgerichtet gewesen, Kapitalertragsteuer auf Gewinnanteile (Dividenden) mehrfach erstattet zu bekommen; dabei war die Steuer, automatisch, nur einmal abgeführt worden. Es war wie bei einem Pfandbon, den man im Supermarkt mehrmals einlöst – nur dass alle Steuerzahler dafür zahlen mussten.

»Arbeitsteilig« seien Olearius und seine mutmaßlichen Mittäter vorgegangen, heißt es in der Anklage. Sie hätten die Beute, die zu Unrecht erstattete Steuer, unter sich aufgeteilt.

Ein Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft ließ als Experte der Anklage »keine Zweifel« aufkommen: Die Cum-ex-Deals hätten nur dann Sinn ergeben, wenn das Finanzamt verlöre. Wäre alles legal gelaufen, hätte es sich um ein »Nullsummenspiel« gehandelt. Ein sinnloses Tun.

Im Jahr 2016 geriet Olearius stärker in den Blick von Ermittlern und Finanzamt. Er fürchtete hohe Steuerrückforderungen und reagierte. Zweimal sprach Olearius bei Bürgermeister Scholz im Rathaus vor. Im Oktober überreichte der Bankier eine Verteidigungsschrift, gemeinsam mit Kompagnon Max Warburg. Er bestritt Cum-ex-Geschäfte und beschwor eine drohende Pleite der Bank.

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Scholz rief Olearius zwei Wochen später an und riet ihm, das Schreiben an den Finanzsenator zu schicken, den heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Der Senator leitete das Papier in seinen Fachbereich weiter. Wenige Tage später entschied die Behörde, 47 Millionen Euro wegen rechtlicher Bedenken nicht zurückzuverlangen.

Max Warburg wurde vom Strafrechtler Thomas Fischer vertreten, der auch als SPIEGEL-Kolumnist arbeitet. Im Untersuchungsausschuss sagte Fischer: Die Banker seien von ihrer Unschuld überzeugt gewesen. Beide hätten gedacht: »Dann sprechen wir mal mit dem Allerobersten, und dann wird das schon wieder in Ordnung kommen.« Die drohenden Rückforderungen sollten sich »in ein weißes Wölkchen« auflösen.

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Der frühere Linkenpolitiker Fabio De Masi fordert: »Olaf Scholz sollte vor Gericht als Zeuge vernommen werden.« Matthias Hauer, CDU-Finanzpolitiker im Bundestag, nennt es »wünschenswert, dass der Prozess die Rolle von Olaf Scholz im Warburg-Skandal deutlicher macht«.