Eine Politik machen, die Mehrheiten anspricht

Interview Jacobin

02.04.2024

Vor knapp zwei Jahren verabschiedete sich Fabio De Masi erst aus dem Bundestag, dann von der Linkspartei. Im Interview spricht er darüber, was ihn dazu bewogen hat, jetzt in die Politik zurückzukehren und als BSW-Spitzenkandidat bei der Europawahl anzutreten.

Bis zu seinem Austritt vor eineinhalb Jahren war Fabio De Masi eines der bekanntesten Gesichter der Linkspartei. Erst als Europa-Abgeordneter und dann als Mitglied des Bundestags machte sich der »Finanzdetektiv« einen Namen, indem er den schmutzigen Geschäften zwischen Politik und Wirtschaft nachging. 

Seien es die sogenannten Luxemburg-Leaks, die massive Steuervermeidung durch eine Reihe europäischer und ausländischer Unternehmen enthüllten oder der Wirecard-Skandal und dessen Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss – ohne De Masis Anstrengungen wären diese Fälle nie ans Tageslicht gekommen oder zumindest längst nicht so breit in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Das hat ihm weit über die Grenzen seiner Partei hinaus große Anerkennung eingebracht.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2021 kündigte er an, sich erstmal aus der Politik zurückziehen und sich der Arbeit an einem Buch zu widmen. Doch die angekündigte Pause fiel kürzer aus als gedacht – im Januar dieses Jahr gab er bekannt, als Spitzenkandidat des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) zur Europawahl anzutreten. Im JACOBIN-Interview spricht Fabio De Masi über die Beweggründe für seine unerwartete Rückkehr in die Politik, die Stärken und Schwächen der EU und mögliche Widersprüche innerhalb seiner neuen Partei.

Warum bist Du dem Bündnis Sahra Wagenknecht beigetreten?

Weil wir in Deutschland und Europa schlimme politische Entwicklungen haben. Da sind einerseits die internationalen Konflikte, Krieg in Gaza und der Ukraine. Die Aggressivität, mit der ein Waffenstillstand und Diplomatie von Teilen der Medien und Politik verteufelt werden, ist verantwortungslos. 

Und auf der anderen Seite eine Wirtschafts-, Energie- und Finanzpolitik, die verheerend ist und Deutschland einer selbst verursachten Schocktherapie unterzieht. Die Kürzungspolitik befördert den Aufstieg rechter Parteien wie der AfD. Da braucht es eine wählbare politische Alternative. Und die sehe ich in der Partei Die Linke schon länger nicht mehr. 

Auf der Pressekonferenz zur Gründung von BSW sagte Sahra Wagenknecht, das Bündnis sei weder links noch rechts. Wo steht die Partei dann?

Ich würde nicht sagen »wir sind weder links noch rechts«. Ich würde vielmehr sagen, dass der Begriff »links« heute in der Bevölkerung anders wahrgenommen wird als früher. Während »links« im politischen System lange den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit – von oben und unten – meinte, verstehen darunter immer mehr Menschen elitäre und weltfremde Diskurse und Lifestyles. Ich glaube, dass das zu einer Entfremdung linker Parteien von bestimmten sozialen Schichten beigetragen hat. 

BSW positioniert sich also aus strategischen Gründen nicht explizit als links?

Ich glaube, dass man mit diesen Labels derzeit nicht weiterkommt. Meine persönliche Erfahrung ist: Wir bekommen etwa von Leuten mit Migrationshintergrund, die hier bereits in der zweiten oder dritten Generation leben, sehr viel Zuspruch. Viele von ihnen mussten sich »von Null« eine Existenz aufbauen. Doch einige von Ihnen sind von Aspekten der Klimapolitik genervt, wenn diese kleine Geldbeutel belastet, statt etwa den Nahverkehr zu verbessern. Sie fühlen sich teilweise jedoch auch durch die neuere Zuwanderung und steigende Mieten bedroht. Sie sind von SPD und Grünen enttäuscht, lehnen aber auch den Rassismus von AfD-Politikern ab.

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