Der rätselhafte Scholz-Kalender

26.08.2023

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In der Cum-ex-Affäre behauptet Olaf Scholz, er könne sich an heikle Gespräche mit Banker Olearius nicht erinnern – er ließ sie aber anhand seines Terminkalenders bestätigen. Doch in einem Fall kann das offenbar nicht stimmen.

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Ende 2019 hatte der Hamburger Senat derartige Treffen auf Anfrage der Linken in der Bürgerschaft bestritten. Nach den Medienberichten ließ Scholz, inzwischen Bundesfinanzminister, seinen Sprecher Steffen Hebestreit bestätigen, was offenkundig nicht zu leugnen war: Es habe das Treffen gegeben, im November 2017, »wie aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei vorliegen müsste«. Weshalb das bei der Antwort auf die Linken-Anfrage nicht berücksichtigt worden sei, »entzieht sich unserer Kenntnis«.

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Vor wenigen Tagen musste der Senat sich nun erneut mit einer Linken-Anfrage zu dem Thema befassen. Es ging um die Frage, warum man Ende 2019 das Treffen zwischen Olearius und Scholz in der Sache verneint hatte. Die Antworten verblüfften.

Der Senat räumte ein, er habe damals gar keinen Zugriff mehr auf den Kalender von Scholz gehabt, der bereits in Berlin war. Man habe daher im Finanzministerium nachgefragt. Eine Rückmeldung sei »innerhalb der für die Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgt«. Die Auskunft – kein Gespräch – habe man gegeben, weil grundsätzlich der Erste Bürgermeister in einem steuerlichen Verfahren nicht beteiligt sei.

Bereits im April 2021 schickte die Büroleiterin von Scholz ein Schreiben an den Untersuchungsausschuss in Hamburg. Darin berichtet sie über den Umgang mit dem Terminkalender. Als Scholz 2018 von Hamburg nach Berlin gewechselt sei, habe man die Daten aus den Jahren 2014 bis 2018 »in den Ministerkalender in Microsoft Outlook übertragen«.

Überraschung in zwei Sätzen

Die Überraschung aber steckte in zwei schlichten Sätzen: Es habe, so heißt es, »ausweislich der Presseberichterstattung« im November 2017 zwar ein Gespräch zwischen Scholz und Olearius gegeben. Aber: »Zu diesem Termin finden sich keine Einträge im Ministerkalender des Bundesministeriums der Finanzen.«

Hat Scholz damals etwas bestätigen lassen, an das er sich nicht erinnert und das auch nicht in seinem Kalender stand? Der Finanzexperte Fabio De Masi hält das für ausgeschlossen. Ihm zufolge muss sich Scholz im Februar 2020 zumindest an einen Termin mit Olearius erinnert haben. An den Termin aus dem November 2017.

De Masi war bis 2021 Linkenabgeordneter im Bundestag und hat die Aufklärung maßgeblich mit ins Rollen gebracht. Die neuen Erkenntnisse nennt er einen »Durchbruch in der Warburg-Affäre«.

Ex-Politiker De Masi: »Logisch unmöglich«

Es sei »logisch unmöglich«, einen Termin »ohne aktive Erinnerung zu bestätigen, der nicht im Kalender stand«. De Masi hält es damit für »zweifelsfrei bewiesen«: Der Bundeskanzler habe einem Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt. Zeugen müssen dort die Wahrheit sagen. Die Sache sei daher auch »eine strafrechtliche Angelegenheit«, sagt De Masi: »Der Kanzler ist nicht mehr tragbar.«