Tacheles reden

Brief an Martin Schulz zur Troika

06.02.2015
Fabio De Masi

Im Initativbericht zur Troika gibt es einen nicht ganz unerheblichen Übersetzungsfehler vom Englischen ins Deutsche. Fabio De Masi schrieb Martin Schulz einen offenen Brief und betonte, dass das Europäische Parlament auch auf Deutsch mit der Troika "Tacheles" reden sollte.

Sehr geehrter Herr Präsident,

mein Kollege, der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, wies mich dankenswerterweise kürzlich auf eine Diskrepanz in der deutschen und englischen Version des angenommenen Textes zum Bericht zu den beschäftigungs- und sozialpolitischen Aspekten der Rolle und der Tätigkeiten der Troika (EZB, Kommission und IWF) in Bezug auf Programmländer des Euro-Währungsgebiets (2014/2007(INI)) hin.

Dort heißt es in der englischsprachigen Version unter Punkt 2:

2. Deplores the fact that Parliament has been completely marginalised in all phases of the programmes

Dieses ist in der deutschsprachigen Version so übersetzt:

2. bedauert , dass das Parlament in allen Phasen der Programme – [...] – fast gar nicht berücksichtigt wurde

Ich bin keine linguistische Autorität und Pedanterie liegt mir fern. Zudem habe ich großen Respekt vor der Arbeit der Übersetzerinnen und Übersetzer im Europäischen Parlament.

Angesichts der aktuellen Debatten um die Troika und der erheblichen Zweifel des Parlaments, ob diese sich auf dem Boden des EU-Rechts bewegt, möchte ich diesen Sachverhalt jedoch zur Kenntnis bringen.

Nach meinem Verständnis ist "deplores" zwar durchaus richtig mit "bedauert" übersetzt. Allerdings geht dabei in der deutschsprachigen Version der Unterschied zu dem z.B. in Punkt 3 verwendeten "regrets" verloren, was eben falls mit "bedauert" übersetzt wird. Da die Verwendung des Verbs "deplore" eine deutlich stärkere Missbilligung ausdrückt, als die Verwendung des Verbs "regret", beide aber mit "bedauern" ins Deutsche übersetzt werden, wird die deutschsprachige Version des angenommenen Textes hier durch die Übersetzung sprachlich deutlich entschärft. Hier scheint mir eher eine Übersetzung durch "beklagen", "verurteilen" oder "missbilligen" angemessen.

Zum anderen entspricht "completely marginalised" meines Erachtens nicht "fast gar nicht berücksichtigt". In der englischen Version fehlt das qualifizierende "fast", so dass eine scharfe Kritik des Parlaments am Krisenmanagement der Troika hier deutlich abgemildert wird. Hier erscheint mir sinngemäß eine bessere Entsprechung: "Missbilligt die Tatsache, dass das Parlament in allen Phasen der Programme – [...] – vollständig übergangen bzw. an den Rand gedrängt wurde".

Ich wäre Ihnen für eine Rückmeldung dankbar, ob Sie meiner Wahrnehmung folgen können, dass es sich hier um eine durchaus nicht unerhebliche Diskrepanz in der deutschen Übersetzung handelt. Ich würde mich freuen – sofern dies rechtlich überhaupt möglich ist – wenn der Sprachendienst ggf. eine Korrektur vornimmt, die den Willen des Parlaments in besagtem Initiativbericht widerspiegelt.

Um eine Ihnen nicht gänzlich unbekannte Redewendung zu gebrauchen: Es wäre gut, wenn das Europäische Parlament mit der Troika auch auf Deutsch "Tacheles" redet.

Mit freundlichen Grüßen,

Fabio De Masi

Zur Antwort von Martin Schulz auf den Brief von Fabio De Masi[1]

Links:

  1. https://www.fabio-de-masi.de/de/article/390.tacheles-reden-antwort-von-martin-schulz-zum-troika-bericht.html