Fabio De Masi

Liebe Freundinnen und Freunde,

in meinem kürzlichen Newsletter hatte ich leider vergessen, das Video einer Veranstaltung aufzunehmen, die ich im Dezember im EU-Parlament mit Martin Sonneborn und Marco Bülow durchgeführt habe. Dort sprechen wir über eine Stunde über die Macht des großen Geldes, die desaströse Politik der Ampel und die Gründe für den Aufstieg der AfD. Außerdem übermittle ich ein Porträt über meine Arbeit ("Der Linksverteidiger), das am Wochenende in der Süddeutschen Zeitung erscheinen ist. Zudem veröffentliche ich hier, was ich kürzlich in den sozialen Netzwerken in Richtung der Mitglieder von Linken und SPD kommuniziert habe.

Ich habe bei Bekanntgabe meiner Kandidatur für das Bündnis Sahra Wagenknecht gesagt: Die Ampel ist die Erntehelferin der AfD. Das meine ich genau so. Es ist völlig verrückt wie die Ampel etwa die Mehrwertsteuern wieder anzuheben, die CO2 Bepreisung zu erhöhen (auch noch ohne jedweden sozialen Ausgleich), während die Investitionen auf Verschleiß gefahren werden und etwa tausende Bahnkilometer abgebaut wurden und Milliarden im schwarzen Loch der Rüstungskonzerne gepumpt zu versenken. 

Die Effekte einer Politik, wie sie die Ampel macht, sind in der Forschung gut untersucht. Etwa in dieser Studie schwedischer Zentralbänker, die den Einfluss dieser Kürzungspolitik auf 200 europäische Wahlen untersuchten. Zur Studie bei MIT Press Direct. Auch die Studie "Austerity and the Rise of the Nanzi-Party", die im Journal für Wirtschaftsgeschichte der Universität Cambridge veröffentlicht wurde und den Aufstieg der Nazis in Deutschland untersucht, ist dabei aufschlussreich. 

Ich habe mein gesamtes politisches Leben gegen eine solche Politik gekämpft (ob den Sozialabbau der Agenda 2010, die dumme Schuldenbremse oder die Bewältigung der Euro-Krise durch brutale Kürzungspakte). Ich will mir später nicht vorwerfen lassen, ich hätte nichts dagegen getan.

Zum Schluss möchte ich auf ein Video der Hip-Hop Künstler K.I.Z. verweisen, die einen großartigen Text über die westliche Doppelmoral (etwa hinsichtlöich des furchtbaren Leids in Gaza und der Ukraine) in Zeiten des Krieges verfasst haben. (Na klar sind wir für Frieden, doch erst müssen wir gewinnen!").

Außerdem möchte ich in diesem Newsletter ausnahmsweise die Worte von Papst Franzikus wiedergeben, der im Ukraine-Krieg immer wieder diplomatische Initiativen anmahnt, die nach meiner Überzeugung im Interesse der Ukraine wären.

Euer,

Fabio

Die Spur des Geldes (Video)

Veranstaltung mit Marco Bülow und Martin Sonneborn

Gastauftritt bei Martin Sonneborn (DIE PARTEI) im Bericht aus Brüssel

Veranstaltung mit Martin Sonneborn und Marco Bülow

Die Tür steht offen

Bei SPD und Linken gibt es hervorragende Leute, die heimatlos sind. Einige davon stehen mit mir im Austausch und haben die Brücken nie abgerissen. Sie wünschen sich eine starke Kraft für soziale Gerechtigkeit, sind aber noch unsicher, wohin sich das BSW entwickeln wird. Das ist verständlich.

Sie kommen, wie ich, aus einer Tradition, die sich gegen den Abbau des Sozialstaates und das Lohndumping der Agenda 2010 stemmte. Karl Schiller oder eine kämpferische Kassiererin sind ihnen näher als Ludwig Erhard. Sie befürworten eine Politik, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhält, aber wollen nicht, dass über höhere CO2-Preise Politik gegen die „kleinen Leute“ gemacht wird, während sich die Besserverdiener von Klimaschutz freikaufen können. Sie wissen um die Überforderung der Kommunen und dass wir Zuwanderung steuern müssen, aber wollen keine Ressentiments oder Politik der kalten Herzen und viele von Ihnen haben selbst eine Zuwanderungsgeschichte. Sie wünschen sich Diplomatie in der Ukraine und Gaza und hinterfragen den Nutzen von Energie-Sanktionen, die uns mehr schaden als Russland, sind aber keine Putin-Fans. Sie waren während Corona für den Schutz von Risikogruppen, aber fanden die Schulschließungen überzogen, die Debatten über eine Impfpflicht absurd (da es keinen Fremdschutz gab) und die Ausgrenzung Ungeimpfter nicht hilfreich. Ihnen sind anständige Löhne für Frauen im Niedriglohnsektor wichtiger als Satzzeichnen und Sprechpausen, aber sie wollen Respekt für alle Menschen, in ihrer Unterschiedlichkeit.   

Das BSW ist keine Linke 2.0. Bei uns versammeln sich Menschen, die sich kämpferische Gewerkschaften wünschen, ebenso wie Unternehmer, die an die Sozialpartnerschaft glauben. Das ist eine Bereicherung. Wir wollen keinen engen Meinungskorridor und eine Politik der praktischen Vernunft. Es wird auch Unterschiede und natürlich auch Fehler geben. Aber eines ist klar: Wir brauchen die Erfahrung jener Leute, die noch hadern. Ihr könnt mittun, dass es gut wird. Die Tür steht offen!



 

Der Linksverteidiger

Süddeutsche Zeitung

Erschienen in der SZ

Fabio De Masi, Ex-Linken-Politiker und selbsternannter "Finanzdetektiv", tritt für die Wagenknecht-Partei BSW als Spitzenkandidat für die Europawahl an. Warum tut er sich das an? 

Fabio De Masi hat eigentlich keine Zeit für das, was da gerade über ihn hereinbricht. Er muss ein Buch schreiben, der Abgabetermin rückt näher, aber jetzt steht sein Telefon nicht mehr still, ring ring ring, pling, pling, pling, so geht das ohne Unterbrechung. Alle wollen irgendwas, er will nur das Buch fertig schreiben, eigentlich. Ob man ihn nicht im März wieder anrufen könne?

Natürlich könnte De Masi jetzt in Ruhe schreiben, hätte er sich nicht zu Wochenbeginn in die Bundespressekonferenz gesetzt. Mit ihm auf dem Podium saß Sahra Wagenknecht, die De Masi als Spitzenkandidaten ihrer neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) für die Europawahlen vorstellte. Seither muss er viele Fragen beantworten. Vor allem die, warum er sich das antut.

Fabio De Masi, 43, kam in Südhessen zur Welt, als Sohn eines italienischen Vaters und einer deutschen Mutter. Sein Werdegang ist eine Abfolge von günstigen Zufällen, zumindest in seiner eigenen Erzählung. Um sich nach seinem VWL-Studium in Hamburg ein Leben in Berlin zu finanzieren, putzte er sonntags morgens die Partyklos in einem Elektro-Club. Dann kam die Linke in den Bundestag und De Masi erhielt einen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter - unter anderem für die Abgeordnete Sahra Wagenknecht, die bald so etwas wie seine politische Ziehmutter wurde. Er wollte nebenbei eigentlich nur ein paar Vorlesungen besuchen - und stand am Ende mit einem Masterabschluss in Internationaler Volkswirtschaftslehre da. Er trat als aussichtsloser Kandidat bei der Europawahl 2014 an - und saß plötzlich im EU-Parlament. Er wurde 2017 in den Bundestag gewählt - und direkt zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken befördert. Es hat sich vieles irgendwie so ergeben in seinem Leben.

Aber in De Masi steckt auch ein akribischer Arbeiter. Als EU-Parlamentarier hat er begonnen, sich auf Finanz- und Steuerskandale wie Panama Papers und Lux Leaks zu spezialisieren, nach seinem Wechsel in den Bundestag machte er mit Cum-Ex und Wirecard weiter. Er erwarb sich den Ruf eines Chefaufklärers und wurde einmal sogar von der New York Times zitiert, das hat er selbstverständlich auf seiner Homepage verlinkt.

(...)

Es gehört zur politischen Wahrheit, dass auch die Linken einen wie ihn wieder gut in ihren Reihen brauchen könnten - aber die Partei, sagt De Masi, sei mittlerweile "eine irrelevante politische Kraft". Die Linke habe sich "schmal gemacht", sie bediene nur noch städtische Milieus. "Politik muss aber die Mehrheit der Bevölkerung mitnehmen, um erfolgreich zu sein."

Wie das beim BSW funktionieren soll, wird der Europakandidat De Masi wohl auch auf nationaler Ebene mitbestimmen, vor allem im Bereich von Wirtschafts- und Finanzpolitik. Und auch da zeichnet sich inhaltlich ein Bruch mit seiner ehemaligen Partei ab. Vom bedingungslosen Grundeinkommen etwa hält De Masi nichts: "Damit hat man weniger Geld für jene, die den Sozialstaat wirklich brauchen - und man gibt den Anspruch auf, gute Jobs mit Zukunft zu schaffen."

Er sei für den ökologischen Umbau der Wirtschaft, "aber mit Sinn und Verstand". Die CO2-Preise zu erhöhen, aber gleichzeitig viele Tausend Bahnkilometer abzubauen, nennt De Masi als Beispiel für sinnloses Vorgehen. Auch die E-Mobilität sieht er kritisch, mit Verweis auf den hohen Energieverbrauch eines Elektroautos, wenn man den ganzen Produktionszyklus betrachte. "Es wäre sinnvoller gewesen, der Autoindustrie strenge Einsparziele technologieoffen vorzugeben." Durch das Verbrenner-Verbot würden alte Autos zwar hierzulande irgendwann verschrottet und der Absatz von E-Autos gefördert. Gleichzeitig würden in anderen Ländern ohne Ladeinfrastruktur weiterhin Verbrenner fahren. "Das ist nicht ökologisch, sondern bescheuert."

Mit dieser rhetorischen Hemdsärmeligkeit will De Masi auch auf europäischer Ebene wirken. "Die EU muss nicht Dinge regeln, die die Kommunen besser können. Sie sollte Dinge regeln wie die Mindestbesteuerung von Konzernen, um den Mittelstand vor Amazon und Co. zu schützen." Insgesamt brauche Europa investitionsfreundlichere Regelungen. "Ausgaben, die sinnvolle Investments in die Zukunft sind, dürfen nicht von europäischen Schuldenbremsen verhindert werden. Das bremst das Wachstum, nicht die Schulden." Der EU-Haushalt solle dennoch nicht wachsen, Agrarsubventionen müssten regionalen Bauern stärker zugutekommen als großen Agrarkonzernen.

Zudem will De Masi den Einfluss der großen Internetkonzerne wie Google oder Facebook zurückdrängen. Deren Einfluss "bedroht die Demokratie. Diese Firmen und ihre Algorithmen sind oft Gift für unser Hirn und wählen aus einem Meer an Daten, was wir lesen und denken." De Masi will dem ein schärferes Kartellrecht und eine öffentliche digitale Infrastruktur entgegensetzen.

Bei aller Leidenschaft für komplexe Finanzthemen hat De Masi allerdings durchaus auch seine eigene öffentliche Inszenierung im Blick. Da gibt es zum Beispiel diese hübsche Geschichte, wie er einmal auf dem Fußballpatz mit dem früheren Nationalspieler Sami Khedira verwechselt wurde. Sie sagt auch deshalb einiges über ihn aus, weil er sie gerne erzählt: De Masi ist erstens nicht uneitel, aber zweitens auch einer, dem die Leute offenbar einiges zutrauen.

Manchmal wird er mit Sami Khedira verwechselt

Damals war er noch finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion und Linksverteidiger beim FC Bundestag. Die fußballspielenden Parlamentarier betreiben ihren Sport mit dem gebotenen Ernst und treten auch deshalb stets in den offiziellen Trikots der Nationalelf an. Als nach einem der Spiele einmal ein junger Zuschauer auf De Masi zukam und im Glauben, es handle sich um Khedira, um ein Autogramm bat, fühlte sich der Hobbykicker De Masi jedenfalls geschmeichelt - er hat dann seinen Klarnamen möglichst unleserlich hingekritzelt.

Den Leuten zu geben, was sie haben wollen, dieses Motiv findet man auch, wenn De Masi über Migrationspolitik spricht. "Man muss Probleme offen benennen, etwa bei der Situation der Kommunen, die am Limit ihrer Fähigkeiten bei der Integration sind", sagt er. Ressentiments, wie sie die AfD schüre, seien inakzeptabel und lösten keine Probleme. Aber eine Politik, wie sie die Linken machen wollten, helfe eben auch nicht. "Bei der Linken gab es keine Kultur mehr, an Lösungen zu arbeiten, sondern Politik wurde nur noch über weltfremde Haltungen gemacht."

Ob es nicht trotzdem ein Risiko ist, sich nun einer Partei anzuschließen, deren politische Ausrichtung noch so vage ist wie die des BSW? De Masi bemüht noch einmal den Fußball, einen Spruch von Andy Möller: Er habe, sagt er, "vom Feeling her ein gutes Gefühl".

 

Der Papst über den Frieden und die vergiftete Debattenkultur

Quelle Vatican News

"Vor schnelllebigen Ideen, die nicht das große Ganze im Blick behalten, hat Papst Franziskus an diesem Freitag junge Berufstätige gewarnt. In diesem Zusammenhang beklagte er auch die zunehmende Schwäche diplomatischer Bemühungen für den Frieden auf der Welt und rief die jungen Leute zum Einsatz auf: „Wo sind die gewagten Unternehmen, die kühnen Visionen? Und woher können diese kommen, wenn nicht von jungen und furchtlosen Herzen?“ Heute scheint sich jedoch vielmehr das auszubreiten, was manche als ,kurzfristiges Denken‘ bezeichnen“, so Franziskus zu den jungen Leuten, der anschließend auch genauer erläuterte, was er meinte: „Ein Denken, das nicht auf die Geschichte zurückblickt, das kein historisches Erbe in sich trägt, ein Denken, das sich instinktiv bewegt und an Augenblicken gemessen wird; das, aus Emotionen bestehend und in wenige Worte gepresst, das bereits ,schwächliche‘ Denken des Postmodernismus zu ersetzen scheint. Angesichts der „Komplexität des Lebens und der Welt“ führt diese Art von kurzfristigem Denken dazu, „zu verallgemeinern und zu kritisieren, die Realität zu vereinfachen und zu manipulieren, um die eigenen unmittelbaren Interessen zu verfolgen“, mahnte Franziskus, der sich besorgt darüber zeigte, dass junge Menschen sich zunehmend hinter Bildschirmen verschanzten, anstatt ihre Kreativität zum Zug kommen zu lassen: „Ja, denn jung zu sein bedeutet nicht, die Welt in den Händen zu halten, sondern sich die Hände für die Welt schmutzig zu machen (...)"

 

Fabio De Masi,
Spitzenkandidat des Bündnis Sahra Wagenknecht zur Europawahl 2024

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