Fabio De Masi

Liebe Freundinnen und Freunde,

in meinem aktuellen Newsletter geht es um vier Themen:

Bei Bundeskanzler Olaf Scholz ist wieder eine fragwürdige „Erinnerungslücke“ aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister aufgetreten. Es geht um einen Kontakt vor der seit jeher umstrittenen Auftragsvergabe für das Milliardenprojekt Elbtower zu René Benko, der bereits wegen der versuchten Bestechung eines kroatischen Politikers verurteilt war. Der Kontakt wurde mir in einer Informationsfreiheitsanfrage vom Hamburger Senat verschwiegen, worüber der Stern berichtet. Dies ist nicht die einzige Parallele zur Cum-Ex Affäre. Und wieder einmal spielen politische Freunde von Scholz, wie der österreichische Ex-Bundeskanzler Gusenbauer, eine Rolle.

Mittlerweile kam es beim Elbtower zum Baustopp und Benkos Signa-Reich droht zu kollabieren. Scholz sagte 2018 noch über Benkos Signa-Gruppe es handle sich um ein "hervorragendes Immobilienunternehmen". Scholz sagte, er möchte, dass die Hamburger später einmal sagen würden, er habe das "gut gemacht" und er habe viele Stunden über den Entwurf des Elbtowers nachgedacht. Fast so als hätte er ihn persönlich am Zeichenbrett entworfen.

Außerdem in diesem Newsletter: Meine aktuelle Kolumne – Danke, Robert? - zu vermeintlichen Erfolgsmeldungen über den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands, Lügen mit Statistik und die Verblödung des Internets.

Zudem Teil 2 meiner Kolumne zum digitalen Euro. Die EU-Kommission versucht, mit dem digitalen Euro das Bargeld zu verdrängen. Das ist ein Fehler. Dabei könnte der digitale Euro eine wichtige Rolle bei der Begrenzung von Markt- und Datenmacht spielen.

Viel Spaß beim Lesen wünscht,

Fabio

War Bundeskanzler Scholz stärker mit kriselndem Prestigeprojekt Elbtower befasst als bisher bekannt?

Stern sowie Capital

Vollständigen Artikel bei Stern lesen sowie bei Capital

Als "Signal der Ambition für Hamburg" kündigte der damalige Hanse-Bürgermeister Olaf Scholz 2018 den Elbtower an. Inzwischen ruht die Arbeit auf der Baustelle des Investors René Benko. Trägt der heutige Bundeskanzler eine Mitschuld?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war in seiner Zeit als Hamburgs Bürgermeister womöglich stärker persönlich mit dem umstrittenen Bauprojekt Elbtower und dessen Investor René Benko befasst als bisher bekannt. Nach stern-Informationen soll Scholz kurz vor der Vergabe des Turmbaus an Benkos Unternehmen im Jahr 2018 mindestens einen persönlichen Kontakt mit dem österreichischen Milliardär gehabt haben. Die Informationen stammen aus dem Umfeld Benkos. Demnach soll Österreichs früherer Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) den Austausch angebahnt haben. Gusenbauer arbeitet seit Jahren für Benkos Signa-Konzern und ist dort Aufsichtsrat. Er kennt Scholz seit Jahrzehnten. 

(...)

Olaf Scholz und das kriselnde Elbtower-Projekt

Der Hamburger Senat hat Medienberichten zufolge wiederholt dementiert, dass sich Scholz und Gusenbauer über den Elbtoweraustauschten. Allerdings gab er im Frühjahr dieses Jahres an, dass Scholz und Benko sich im Jahr 2013 einmal bei einem persönlichen Treffen austauschten. Es sei damals darum gegangen, dass Benko seinerzeit das Alsterhaus in Hamburg kaufen wollte. Einen direkten Austausch zum Elbtower soll es demnach aber nicht gegeben haben. Diese Informationen hatte der frühere Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi mit Hilfe eines Transparenzgesetzes erzwungen.

Der fast eine Milliarde teure Bau des Elbtowers war zuletzt wegen der Finanzprobleme bei Signa ins Stocken geraten. Vor mehr als einer Woche entschied das Rohbauunternehmen, die Bauarbeiten wegen unbezahlter Rechnungen vorerst ruhen zu lassen. Scholz hatte als Bürgermeister nach dem Zuschlag für Benkos Signa-Konzern Anfang 2018 die Pläne als "Signal der Ambition für Hamburg" gepriesen. Bei dem Investor handele es sich um "ein hervorragendes Immobilienunternehmen".

Danke, Robert?

Kolumne Berliner Zeitung

Die Kolumne ist bei der Berliner Zeitung erschienen

Foto: Imago/Political-Moments

Wirtschaftlicher Aufstieg Deutschlands? Wie man sich mit Statistik die Welt schön reden kann, erklärt unser Autor Fabio De Masi. 

Kürzlich machte die Schlagzeile die Runde, dass Deutschland laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Japan absehbar als drittgrößte Volkswirtschaft der Erde ablösen werde. Wolfgang Gründinger, seines Zeichens „European Digital Leader“ des World Economic Forum in Davos und „Chief Evangelist“ beim Berliner Solar-Start-up Enpal, wo er sich laut Eigenbeschreibung für ein neues „Wirtschaftswunder“ engagiert, versetzte dies in Trance.   

Auf der Plattform X schrieb er: „Deutschland steigt zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt auf, Inflation sinkt drastisch, Staatsschuldenquote sinkt auf Stand vor Corona, Gasspeicher zu 100% voll, Kohleverstromung fast halbiert, Danke Robert Habeck!“  

Deutscher Aufstieg mit Null-Wachstum?

Das Problem dabei: Deutschland steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, während Japans Wirtschaft Wachstumsrekorde bricht. Wie kann Japan also von Deutschland überholt werden? Ganz einfach: Japan hat die extremen Zinserhöhungen der US-Zentralbank, Federal Reserve,  in den USA und der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht mitgemacht. Dadurch hat der Yen gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Und die Statistik des IWF zur Größe der Volkswirtschaft bzw. dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird in US-Dollar errechnet. Den Japanern dürfte dies herzlich egal sein. Ihr „Abstieg“ in US-Dollars fühlt sich mit Wachstumsraten von aufs Jahr gerechnet sechs6 Prozent wahrscheinlich sehr viel besser an als der deutsche „Aufstieg“ mit Null-Wachstum.   

Die Tagesschau titelte gar „Wirtschaftswunderland Japan?“ und führt aus: „Japan profitiere derzeit von der aufgeschobenen geldpolitischen Straffung der Bank of Japan, der Abwertung des Yen und einer späten Wiederöffnung der Wirtschaft nach der Pandemie.“  

Nun mag man einwenden, dass hinter Deutschlands Aufstieg und Japans Abstieg auch ein längerfristiger Trend stünde. Schließlich hat Japans Wirtschaft viele Jahre der Stagnation hinter sich. Das ist richtig. Nur ist der Dank an Robert Habeck dann noch bekloppter, weil er in den Jahren davor nicht Wirtschaftsminister war, und seit er es ist, läuft es ja hierzulande eher nicht so rund. Man könnte vermuten, dass dies auch etwas mit der Regierungspolitik zu tun hat, wie etwa Wirtschaftskrieg und Investitionsstau. 

Die gefährliche Deflation 

Zudem hing die Stagnation Japans mit einer Deflation nach dem Platzen einer Immobilienblase zusammen. Unter Deflation versteht man eine Situation sinkender Preise. Sie ist viel gefährlicher als eine Inflation: Denn es ist extrem schwierig aus einer solchen Falle herauszukommen. Japans verlorene Dekaden zeigen dies eindrucksvoll. Auch China droht derzeit eine solche Entwicklung.

Denn Verbraucher werden in Erwartung sinkemnder Preise (bzw. hoher Arbeitslosigkeit und geringer Lohndynamik) Anschaffungen eher aufschieben (einkaufen wird ja zukünftig billiger), Unternehmen werden daher kaum investieren und die reale Schuldenlast von Schuldnern steigt. Denn fallen die Preise, ist die Geldsumme, die man etwa bei einem Kredit tilgen muss, in realer Kaufkraft höher. Gut für die Gläubiger, schlecht für die Schuldner.  

Man spricht daher in der Ökonomie auch von einer sogenannten Schuldendeflation: Wenn Preise und Umsätze von Unternehmen sinken, bleiben die Schulden trotzdem gleich hoch. Im Verhältnis zu den sinkenden Einnahmen bzw. Einkommen fällt dann auch die Schuldenlast höher aus. Dies kann Insolvenzen begünstigen. 

Kurzum: Bei einer Deflation ist angezeigt, die Staatsausgaben ordentlich hochzufahren und die Zinsen unten zu lassen. Insofern spricht gerade die japanische Erfahrung fundamental gegen die Kürzungspolitik der Ampel. 

Daher schiebt die japanische Regierung -– ähnlich wie die USA, China und Spanien – öffentliche Investitionen an, entlastet die Verbraucher und subventioniert die Energiepreise. Denn die Teuerung nach Corona-Schock und Ukraine-Krieg kam von den Energiepreisen, nicht etwa von zu hohen Staatsausgaben. Doch in der Verschwörungsökonomie der Ampel-Koalition muss gekürzt werden bis es kracht, um den Preisschock bei Energiepreisen zu bekämpfen. Die Inflation bildet sich jedoch in anderen Ländern ebenso zurück wie in Deutschland. Nur eben ohne die bittere Nebenwirkung, dass die Wirtschaft deswegen abschmiert. Dies kann sich durch den Nahost-Konflikt auch wieder ändern. Nur hat dies wenig mit Staatsausgaben zu tun. 

Und dass die Schuldenquote sinkt, darauf kann sich Herr Gründinger ein Ei pellen. Denn was nützen geringe Schulden, wenn die Wirtschaft im Koma liegt? Das ist wie bei einem Skelett, dass sich über den guten Zustand der Knochen freut. 

Dass die Gasspeicher voll sind, verdanken wir übrigens unter anderem der erhöhten Abhängigkeit von LNG-Gas aus den USA, die dieses überwiegend durch klimaschädliches Fracking gewinnen. Wir beziehen weiter russisches Öl und Gas über den Umweg von Indien und Belgien. Und die Außenministerin Annalena Baerbock meinte kürzlich: „Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so.  Weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen“. Da könnte man sich kurz am Kopf kratzen und fragen seit wann wir aber Sanktionen gegen lupenreine Demokratien verhängen? Schwamm drüber: Unabhängig davon wie man zum Wirtschaftskrieg und Sanktionen steht, einem Solarunternehmer könnte diese Widersprüche zumindest auffallen. 

Das „Wirtschaftswunder“ auf, dem sich Gründinger verschrieben hat, hatte schon einst Bundeskanzler Olaf Scholz versprochen. Aktuelle Lage? Deutschland ist durch Wirtschaftskrieg und verrückter Kürzungspolitik Schlusslicht beim Wachstum unter den Industrienationen. Als einziges OECD-Land schrumpfte unsere Wirtschaft im Winter. China hat übrigens auch unsere Solarindustrie weitgehend verdrängt. Aber das nur nebenbei. Ich sage einfach mal: Danke, Olaf!

Digitaler Euro – warum wir eine politische Debatte brauchen

Kolumne Finance Forward

Vollständigen Beitrag bei Finance Forward lesen (Teil 1). Zu Teil 2 geht es hier

Der digitale Euro könnte einen hohen Nutzen stiften, um private Daten- und Finanzmacht zu begrenzen und das staatliche Geldmonopol zu unterstützen. Doch die Währung sollte Bargeld ergänzen und nicht verdrängen. Es gibt bislang viele ungelöste Fragen. Daher komme es darauf an, das Projekt nicht Technokraten zu überlassen, sondern eine öffentliche Debatte zu führen, kommentiert Wirecard-Aufklärer Fabio De Masi. In einer zweiteiligen Serie befasst sich der Finance-Forward-Kolumnist genauer mit dem digitalen Euro.

 

Fabio De Masi,
Spitzenkandidat des Bündnis Sahra Wagenknecht zur Europawahl 2024

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