Fabio De Masi

Liebe Freundinnen und Freunde,

viele Menschen wollen wissen, wie ich zur Parteigründung um Sahra Wagenknecht stehe. Ich habe mich sehr bewusst aus der Partei DIE LINKE zurückgezogen, um die weiteren Entwicklungen zu beobachten. Auch weil ich unzufrieden war, wie die Richtungskonflikte innerhalb meiner früheren Partei geführt wurden und persönliche Karrieren oft wichtiger waren als der politische Erfolg. Da ich mir nicht nachsagen lassen wollte, an meinem eigenen Bundestagsmandat zu hängen, habe ich darauf freiwillig verzichtet, obwohl ich sicher erneut aufgestellt worden wäre. Aus demselben Grund habe ich mich nicht aktiv in neue politische Projekte eingebracht.

Ich glaube jedoch, dass das Projekt um Sahra Wagenknecht die vielleicht einzige Chance ist, die Alternative für Deutschland (AfD) zu schwächen und die weitere soziale Spaltung des Landes zu verhindern. Werde ich mich einbringen? Entscheidend wird für mich das Programm und die Seriosität der handelnden Personen. Wenn die Chance besteht, etwas gegen die politischen Entwicklungen in Deutschland zu unternehmen, werde ich dies natürlich unterstützen. 

Was für eine politische Kraft nötig wäre, habe ich vor einiger Zeit auf Facebook und X aufgeschrieben. Ein Auszug:

"Seit über 20 Jahren haben kritische Stimmen darauf hingewiesen, dass Deutschland durch den öffentlichen Investitionsstau Wohlstand verspielt. Immer hieß es: Wir müssen einfach „wettbewerbsfähiger“ werden über den Export. Mittlerweile funktioniert kaum noch etwas in unserem Land vernünftig und selbst in der Automobilindustrie haben wir den Anschluss an die technologische Wende verloren.

Die politische Rechte schreibt nun den Niedergang des deutschen Modells „linken“ Parteien zu, obwohl die Probleme auch damit zusammenhängen, dass diese Parteien die rechte Wirtschaftspolitik des schwachen, kaputten und somit über kurz oder lang auch unfähigen Staates übernommen haben. Man schwächt den Staat bis hin zum Staatsversagen, um dann den unfähigen Staat zu beklagen.

Deutschland geht es unter anderem so schlecht, weil von Rot-Grün zur Jahrtausendwende über Schwarz-Gelb und GroKo bis in die aktuelle Zeit im Deutschland eine besonders stümperhafte Ideologie von Lobbyisten und Talkshow-Ökonomen regiert hat, die einen fähigen und investierenden Staat, der auch private Investitionen anreizen würde, verhindert hat.

Mit Kulturkampf kommt man dem nicht bei. Wer in der Wirtschafts- und Sozialpolitik keine glaubwürdige Alternative entwickelt, wird von konservativen und rechten Parteien zur Schlachtbank geführt. Kulturkampf können sie besser!

Es ist etwa möglich, den Umbau der Wirtschaft und unserer Verkehrs- und Energiesysteme mit Milliardeninvestitionen zu unterstützen, ohne sich in Wirtschaftskrieg und Heizungsgesetz zu verheddern. Es ist möglich, eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg zu unterstützen, die Sinnhaftigkeit der Sanktionspolitik zu hinterfragen und umfassende wirtschaftliche Beziehungen in Ost wie West zu unterhalten, ohne die Verbrechen Putins zu relativieren oder sich von einzelnen Ländern zu abhängig zu machen.

Es ist nötig, die derzeitige Überforderung der Kommunen bei der Integration flüchtender Menschen einschließlich der Wohnungskrise anzusprechen und gleichzeitig mehr finanzielle Anstrengungen zu unternehmen, um Menschen, die nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, besser wirtschaftliche Perspektiven in den Herkunftsländern zu verschaffen bzw. eine Politik zu unterlassen, die noch mehr Fluchtgründe schafft. Es ist möglich, die Interessen von Alleinerziehenden zu vertreten, die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege anzugreifen oder insbesondere Altersarmut und Lohnungleichheit von Frauen zu begegnen - ohne wöchentlich über korrekte Schreibweisen und sprachliche Konventionen zu diskutieren.

Es ist daher nötig, dass sich wieder eine handlungsfähige linke Kraft im Parteienspektrum etabliert, die sich auf ökonomische und soziale Konflikte konzentriert, die katastrophale Politik der Ampel attackiert und nicht in das offene Messer der Spalter in diesem Land rennt. Statt Kulturkämpfe und Betonung von Unterschieden braucht es die Betonung von Gemeinsamkeiten einer Mehrheit!

All dies ist möglich, ohne dabei selbst Menschen abzuwerten, die sich ein besseres Leben wünschen. Ob sich eine solche Kraft bilden wird, die den oben genannten Ansprüchen entspricht? Ich weiß es nicht - aber es ist die einzige Chance in einem Land, das zwischen dem Stümpertum der Ampel, der Politik der sozialen Spaltung und des geschwächten Staates für die oberen ein Prozent von Union und FDP sowie den verlogenen Halb- und Schwerkriminellen vom rechten Rand zerrieben wird. Es kommt dabei aber darauf an eine politische Kraft zu etablieren, die breit aufgestellt ist und nicht selbst nur einen engen Meinungskorridor bedient und nur Phrasen drischt! Warten wir es ab!"

In diesem Newsletter findet Ihr mein Interview zur Zukunft des Bundeskanzlers und zur Warburg Affäre in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung. Viel Freude beim Lesen wünscht,

Fabio

Wollen wir einen Bundeskanzler, der das Parlament belügt?

Interview Berliner Zeitung

Foto: Imago/IPON

Das vollständige Interview bei der Berliner Zeitung lesen bzw. auf meiner Homepage

Fabio De Masi bezweifelt, dass Olaf Scholz die charakterliche Eignung hat, Deutschland durch diese stürmischen Zeiten zu führen.

Die größte Gefahr für Olaf Scholz’ politische Karriere ist seine Verwicklung in den Cum-Ex-Skandal um die Warburg-Bank. Bisher lief alles in seinem Sinn: Das Interesse der Öffentlichkeit war wegen der komplexen Materie mäßig; die Hamburger Netzwerke funktionieren klaglos; zuletzt sollte sogar die gefährlichste Gegnerin des Bundeskanzlers, die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker, entmachtet werden. Doch ganz überraschend darf Brorhilker weitermachen. Fabio De Masi, unerbittlicher Aufklärer des Cum-Ex-Skandals, wittert Morgenluft. Brorhilker schrecke nicht vor großen Namen zurück, sagt der frühere Politiker. Er erwartet, dass die Staatsanwaltschaft nun endlich frei ermitteln kann – auch um herauszufinden, ob Olaf Scholz weiter Bundeskanzler bleiben kann.

Herr De Masi, Sie sind einer der Chefaufklärer des Cum-Ex-Skandals, bei dem sich Banken auf Kosten der Steuerzahler bereichert haben. Politik und Teile der Justiz haben offenbar geholfen oder weggesehen. Auch die Hamburger Warburg-Bank ist in den Skandal verstrickt. Welche Rolle hat Olaf Scholz gespielt? Ist das heute überhaupt noch ein Thema – oder hat Scholz die Sache überstanden?

Fabio De Masi: In Bonn läuft der Strafprozess gegen den früheren Warburg-Gesellschafter Olearius wegen schwerer Steuerhinterziehung. Olaf Scholz hat sich als damaliger Erster Bürgermeister von Hamburg mit Olearius mehrfach zu den Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank ausgetauscht. Olaf Scholz wird in der Anklageschrift der Staatsanwälte 27 Mal erwähnt. Die zuständige Finanzbeamtin hatte der Warburg-Bank vor den Treffen mit Scholz ausrichten lassen, dass sie nach Rechtslage die Cum-Ex-Tatbeute einziehen müsse und jetzt nur noch die Politik helfen könne. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit Treffen zwischen Scholz und Olearius ist dann die Entscheidung des Finanzamtes gekippt und man hat die Tatbeute steuerlich verjähren lassen. Die Sache ist für Scholz noch nicht vorbei. Es kommen ständig neue Dinge ans Licht, aber die Öffentlichkeit hat sich leider an Lügen in der Politik gewöhnt.

(...)

Fabio De Masi,
Spitzenkandidat des Bündnis Sahra Wagenknecht zur Europawahl 2024

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