OMT-Urteil - Verhängnisvolles Finanzmarktdoping

17.06.2015
Fabio De Masi

„Die Ankündigung des Goldman Sachs Boy, Mario Draghi, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen („whatever it takes“), hat die Finanzmärkte beruhigt. Aber während Banken und Börsen gedopt wurden, wird die Realwirtschaft auf Entzug gesetzt. Es ist verhängnisvoll, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Verknüpfung von geldpolitischen Maßnahmen und Kürzungsdiktaten durch die Europäischen Zentralbank (EZB) nicht nur bestätigt, sondern sie auch noch zur Voraussetzung der Rechtmäßigkeit von Anleihekäufen erklärt,“ kommentiert der Europaabgeordnete Fabio De Masi (DIE LINKE) das Urteil des Europäischen Gerichtshof zum OMT-Programm der EZB.

Das Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung weiter: „Damit wird die EZB zum Gesetzgeber und ersetzt die Kontrolle der Finanzmärkte durch das Diktat von Draghi und Co. Dies zeigt sich deutlich in der Erpressung in Griechenland, wo die EZB entschied, griechische Staatsanleihen nicht mehr als notenbankfähige Sicherheiten zu akzeptieren. Mit dem Urteil kann die EZB keine öffentlichen Investitionen, sondern nur Finanzblasen finanzieren. Das ist grotesk. Die Entscheidung des EuGH ist auch rechtlich nicht nachvollziehbar: Denn die Unabhängigkeit der EZB ist keine Einbahnstraße. Die klassische Begründung, dass die Geldpolitik der EZB risikolos sein müsse und Mitgliedsstaaten für die Qualifizierung für Anleihestützung daher entweder Zugang zum Kapitalmarkt brauchen oder zu vermeintlichen Rettungsschirmen, trägt auch nicht. Kapitalmärkte sind nicht risikolos sonst wäre die Intervention der EZB überflüssig. Kürzungsdiktate der Gläubiger erhöhen die Staatsverschuldung über den Einbruch der Wirtschaft und machen die Anleihen somit sogar riskanter. Und die EZB kann die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Anliehe über ihre Käufe selbst  beeinflussen. Zudem kann eine Zentralbank wegen der Geldschöpfungsgewinne frei bilanzieren und sogar negatives Eigenkapital verkraften.

Wir müssen jetzt auf wirtschaftspolitisch konservative Verfassungsrichter in Karlsruhe hoffen, dass sie auf Konflikt gehen: Denn Karlsruhe hat zumindest immer klar gemacht, dass Finanzpolitik demokratischer Kontrolle bedarf. Daher müssen sie der EZB in den Arm fallen.  Wir brauchen die Finanzierung öffentlicher Investitionen durch die EZB bzw. kurzfristig EU-vertragskonform einen Kauf der Anleihen der Europäischen Investitionsbank. Das ist chirurgisch präziser als besinnungslos Liquidität in den Finanzsektor zu pumpen und neue Finanzblasen zu züchten.“

De Masi abschließend: „DIE LINKE fordert eine demokratische Kontrolle der EZB. Mitgliedsstaaten müssen sich auf eine angemessene Steuerpolitik verständigen, einschließlich Mindeststeuern für Konzerne und eine Vermögensabgabe für Millionäre, wie auch vom IWF gefordert. Dann sollten öffentliche Haushalte in einem bestimmten Rahmen auch durch EZB Direkt-Kredite, bzw. EIB Kredite für öffentliche Investitionen, finanziert werden. Dies gilt ebenso für ein echtes, koordiniertes Zukunfts- und Investitionsprogramm von 500 Milliarden Euro jährlich. Diese braucht Europa dringend, um endlich die Depression zu überwinden.“