Fabio De Masi über die Troika und die Kürzungspolitik der EU
Interview mit der Redaktion von Schattenblick
Fabio De Masi im Interview mit der Redaktion von Schattenblick über die Eurokrise, die Verhandlungen mit Griechenland und die Zukunft der Troika.
Nach dem Dokumentarfilm von Harald Schuhmann, welcher am 7.Mai 2015 in Hamburg gezeigt wurde, gab Fabio De Masi der Redaktion des Onlinemagazins Schattenblick ein Interview über die Eurokrise, die Verhandlungen mit Griechenland und die Zukunft der Troika:
"Schattenblick (SB): Die Troika wird im Film als eine Institution ausgewiesen, die ohne jede parlamentarische Kontrolle und außerhalb der EU-Verträge agiert. Handelt es sich bei ihr um einen Webfehler der EU oder müßte man umgekehrt argumentieren, daß deren Struktur solche Entwicklungen wie die Troika geradezu begünstigt?
Fabio De Masi (FDM): Die Troika ist in der Tat eine Struktur außerhalb der EU-Verträge. Es gibt viele Gründe, die Architektur der EU selbst oder der EU-Verträge zu kritisieren, die im Interesse von Banken und Konzernen gestrickt sind. Die Eurokrise konnte nur deswegen zum Ausbruch kommen, weil jahrelang eine verfehlte Politik in Europa verfolgt wurde. Vieles davon ist in den Verträgen festgelegt. Beispielsweise kann man den Kapitalverkehr in einer solchen Krise nicht kontrollieren. Erst in einer Notsituation, als es bereits zu spät war, pumpte die Europäische Zentralbank Milliarden in die Banken, finanzierte aber nicht die Staaten. Wir haben also die Banken gerettet, wodurch die Staatsverschuldung gestiegen ist. Die Banken haben billiges Geld von der EZB bekommen, und die Staaten mußten wiederum zu den Banken gehen und sich zu hohen Zinsen bei ihnen Geld leihen. An diesem System läßt sich ablesen, daß es für die Interessen der Finanzindustrie maßgeschneidert ist. Die Troika hat jedoch völlig außerhalb der Verträge agiert, weil sie vor dem letzten Rest an Kontrolle des Parlaments Angst hatte. Sie ist also per se eine antidemokratische Institution, und das zeigt, wie sehr die Mächtigen fürchten, daß diese Politik auf Widerstand trifft. Sie wissen, daß sie im Kern eine kriminelle Politik machen.
SB: Im Jahr 2010 wurde ein Schuldenschnitt für Griechenland diskutiert, dann jedoch abgelehnt. Dabei wäre ein teilweiser Schuldenerlaß eine Möglichkeit gewesen, die griechische Wirtschaft zu retten und dadurch zugleich den ökonomischen Interessen der Gläubiger zu entsprechen. Worauf ist es zurückzuführen, daß sich in dieser Frage eine andere Fraktion durchgesetzt hat?
FDM: Ich glaube, daß die politischen Eliten keine Strategie verfolgen, die im Interesse der Volkswirtschaft wäre. Das haben wir in Griechenland gesehen, wo sie phänomenal gescheitert sind und die Wirtschaft um 25 Prozent eingebrochen ist. Das erklärte Ziel der Politik war, die öffentliche Verschuldung zu senken, doch die Schulden sind explodiert, anstatt geringer zu werden. Den Betreibern dieser Politik müssen deren fatale Folgen klar sein, doch gibt es eben auch Profiteure dieser erzwungenen Sparmaßnahmen. Beispielsweise hoffen die Konzerne, daß die Löhne und Renten gesenkt werden, so daß sie von den niedrigeren Arbeitskosten profitieren und günstiger exportieren können, während die Mehrzahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Griechenland kaputt gegangen ist.
Der Schuldenschnitt wäre eine Maßnahme gewesen, um Griechenland eine Erholung zu ermöglichen, die auch im Interesse der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gewesen wäre, damit sie nicht mit Krediten die deutschen und französischen Banken herauskaufen müssen. Gerettet wurde nicht die griechische Krankenschwester, vielmehr hat Griechenland mit diesen Krediten die Forderungen der Banken bezahlt. Daß sich der Schuldenschnitt nicht durchgesetzt hat, ist auch auf die Interessen der deutschen und französischen Banken zurückzuführen, die diese Schulden nicht abschreiben wollten. Man hat den Banken Zeit gekauft, ihren Müll bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern abzuladen, bei denen nun die Forderungen an Griechenland liegen.
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Das gesamte Interview kann auf der Seite des Schattenblicks [1]gelesen werden.
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