Krawalle in Berlin: Sicherheit ist auch ein linkes Thema

Kolumne Berliner Zeitung

14.01.2023

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Alle Jahre wieder wiederholt sich in Deutschland ein langweiliges Spektakel. Es kommt zu irgendeinem gesetzlichen Feiertag zu enthemmter Gewalt junger Männer gegen Einsatzkräfte wie Polizei, Feuerwehr oder Sanitäter, Frauen und Umstehende. Kurz danach versammeln sich dann die politischen Lager, um die Lufthoheit über den Stammtischen zu verteidigen und ihre eingeübten Rituale abzuspulen. Dabei würde bereits etwas gesunder Menschenverstand helfen, um die Probleme zu erkennen.

Keine Frage! Deutschland hat Großstadt-Ghettos, wie sie in Frankreich schon lange zur Realität gehören. Es darf nicht hingenommen werden, wenn rechtsfreie Räume wie bei den Angriffen auf Einsatzkräfte zu Silvester in Berlin entstehen.

Kulturkreis- oder Böllerverbotdebatte

Die einen verweisen auf den vermeintlichen Migrationshintergrund oder den Kulturkreis der Straftäter, wenn es sich gerade anbietet. Sie prangern mangelnde Unterstützung der Polizei aus der Berliner Landespolitik als Ursache an und verweisen darauf, dass Vorfälle wie die Silvesternacht in Berlin in München undenkbar seien.

Die anderen fordern ein Böllerverbot, verweisen auf Rassismus und dass die Täter zumeist seit frühester Kindheit in Deutschland leben und Berliner Jungs sind. Sie betonen den Faktor Alkohol bzw. die saufende Horde auf dem Oktoberfest, die ebenso regelmäßig alles kurz und klein haut oder Frauen belästigt, aber kaum Anlass für Empörung ist.

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Probleme, die in der Anonymität der Großstadt entstehen

Bedeutet dies, dass es unzulässig ist, über die Migrationsgeschichte der Familien einiger Straftäter zu sprechen? Nein, keinesfalls. Eine fortschrittliche Sicherheitspolitik sollte nicht den Eindruck erwecken, Tabus zu errichten, sondern den Stier bei den Hörnern packen und die konservativen Maulhelden, die keine praktischen Probleme lösen, durch gesunden Menschenverstand entzaubern.

Denn es gibt natürlich Umstände, die Gewalt begünstigen. Dies ist einerseits Alkohol, ob Silvester in Berlin oder in der deutschen Provinz auf dem Dorffest. Dass dies nicht überall endgültig aus dem Ruder läuft, ist aber nicht einfach ein Ergebnis von Hundertschaften der Polizei. Täglich werden in Deutschland Konflikte durch gegenseitige soziale Kontrolle und Hemmschwellen reguliert, ohne dass die Polizei eingreifen muss. Es fehlt genau hieran und dabei kommt auch die Geschichte der Straftäter ins Spiel.

Straftäter, ob Nazis, Hooligans oder Jugendliche aus deutschen Großstadt-Ghettos, entstammen zumeist Subkulturen, die sich stark in ihrem eigenen Milieu bewegen. So, wie es etwa in Einrichtungen der Kirche zu Kindesmissbrauch kam, kommt es in Familien, die unter sozialem Stress stehen und die sich gegenüber staatlichen Institutionen, Freizeiteinrichtungen, Sportvereinen oder Ähnlichem abschließen, häufiger zu Gewalt und Erziehungsdefiziten. Solche Probleme sind daher in der Anonymität der Großstadt eher anzutreffen als in einer dörflichen Gemeinschaft mit starker sozialer Kontrolle.

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Links:

  1. https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/nach-krawallen-in-berlin-sicherheit-ist-auch-ein-linkes-thema-li.306705