Energiesanktionen machen Putin reich

Kolumne in Berliner Zeitung

15.07.2022
Container Terminal im Hamburger Hafen.

Vollständigen Artikel in der Berliner Zeitung lesen[1]

Deutschland zittert, und bald könnten wir auch frieren. Vor dem Ukrainekrieg bezog Deutschland noch etwa 55 Prozent seines Gases aus Russland, mittlerweile sind es noch 35 Prozent. Es ist unklar, wie lange Russland noch Gas liefert und ob die Gasspeicher im Herbst ausreichend befüllt sein werden, um private Haushalte und Unternehmen durch den Winter zu bringen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont, dies werde „Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten.“ Habeck appelliert dabei vorsorglich an die Bürgerinnen und Bürger, die Heizung runterzudrehen und kürzer zu duschen. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, dem wir neben einem jährlichen Ehrensold von etwa 240.000 Euro neun Büros auf 197 Quadratmetern finanzieren, fordert uns gar auf, weniger zu jammern und gefälligst für den Frieden zu frieren.

(...)

Doch auch wenn ein Energieboykott Deutschlands vom Tisch ist, sollten wir uns ehrlich bewusst machen: Energiesanktionen, die Russland von Euros und Dollars abschneiden sollen, machen Putin reich. Russland verzeichnet Rekordeinnahmen aus Energieverkäufen. Denn die steigenden Preise machen die geringeren Absatzmengen wett und China springt als Abnehmer, etwa von Öl, ein. Zudem braucht Putin weder Euros noch Dollars, um Lebensmittel, Öl oder Waffen zu finanzieren und Soldaten zu bezahlen. Russland ist ein Riesenreich mit enormen Ressourcen, und seinen Krieg finanziert es überwiegend in Rubel.

Dies bedeutet nicht, dass die Sanktionen etwa bei Hochtechnologie oder der Druck auf Oligarchen vollkommen wirkungslos sind. Doch welchen Zweck sollen Energiesanktionen haben, die mehr schaden als nützen und in der Welt eine Spur der Verwüstung ziehen? Zumal selbst im Kalten Krieg die Energieversorgung nicht unterbrochen wurde. Abgesehen davon, dass wohl niemand auf die Idee gekommen wäre, Energiesanktionen beim Überfall der USA auf den Irak zu verhängen, der eine halbe Million Menschen das Leben kostete. Kürzlich setzte bereits Kanada die Sanktionen bei der Lieferung einer Turbine für den Betrieb der Nord-Stream-1-Pipeline aus, um Deutschland die Gasversorgung zu ermöglichen. Ob Russland die Gasversorgung nach der Reparatur der Turbine unvermindert fortsetzt, ist noch nicht absehbar.

(...)

Verantwortungslos ist es indes, wie Wirtschaftsminister Habeck einen Gaspreisdeckel abzulehnen, wie ihn die Ökonomen Isabella Weber und Sebastian Dullien vorgeschlagen haben. Dieser würde einen Grundverbrauch an Gas subventionieren und so einkommensschwache Haushalte, die mit Gas heizen, gezielt entlasten und sogar Anreize zum Energiesparen setzen. Wer Solidarität immer von den Schwächsten erwartet, sollte sich nicht wundern, wenn die Stimmung kippt!

Links:

  1. https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/energie-sanktionen-machen-putin-reich-li.246667