Aufklärung unerwünscht

Banken, Fonds und Kanzleien haben Staatskassen im grossen Stil geplündert – mittendrin die Schweiz. Über die unrühmliche Rolle von Justiz und Behörden im Jahrhundertraub.

02.12.2021

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Ende März 2019, Bezirksgericht Zürich. Im Publikum sitzt Fabio De Masi, damals Bundestagsabgeordneter von Die Linke. Neben ihm wohnen weitere deutsche Politiker der Verhandlung bei, selbst die deutsche Botschaft schickt einen Beobachter. «Wir hatten mit grosser Sorge zur Kenntnis genommen, dass die Schweiz ausgerechnet die Whistleblower verfolgt», sagt De Masi rückblickend, deshalb habe man dem Gericht signalisieren wollen, dass nicht unbeobachtet bleibe, was in Zürich passiere. In Erinnerung geblieben ist ihm: «Ein sehr frostiger Prozess, ein Staatsanwalt, dem manchmal die Glühbirnen durchbrannten, und ein gesichtswahrendes Urteil.»

Alle drei Beschuldigten werden weitgehend freigesprochen. Schuldsprüche gibt es wegen der Verletzung des Bankgeheimnisses oder der Anstiftung dazu. Ob das Urteil Bestand haben wird, ist fraglich, denn mittlerweile gibt es höchstrichterliche Urteile aus Deutschland, die die Strafbarkeit von Cum-Ex-Geschäften bestätigen. Die auch von Schweizer Medien oft kolportierte «Gesetzeslücke», die findige Banker:innen ausgenutzt hätten, gab es nie.

Auch die Schweiz, glaubt Finanzpolitiker Fabio De Masi, hat sich bewegt. Einer der mutmasslichen Drahtzieher des Milliardenbetrugs, der deutsche Steueranwalt und Sarasin-Geschäftspartner Hanno Berger, sitzt zurzeit in Graubünden in Auslieferungshaft. Am 20. August hat das Bundesamt für Justiz seine Auslieferung an Deutschland tatsächlich verfügt, doch Berger erhob dagegen Beschwerde, die vor dem Bundesstrafgericht hängig ist. Dem Steueranwalt wird in Deutschland vorgeworfen, zusammen mit weiteren Angeklagten ungerechtfertigte Steuerrückerstattungen in der Höhe von gesamthaft über 391 Millionen Euro erwirkt zu haben.

«Das Bewusstsein wächst, dass es sich um organisierte Kriminalität handelt», sagt De Masi. Er verlangt Haftstrafen gegen Beteiligte, «denn diesen Leuten tun Geldstrafen nicht weh». Doch anders als in Deutschland, wo Hunderte Staatsanwält:innen bundesweit Täter:innen identifizieren und verfolgen und die Gerichte eindeutige Urteile sprechen, findet in der Schweiz kaum Aufklärung statt.