Nach der Ära Merkel - Aufbruch im Parlament

Feature des Deutschlandfunks über die Macht und Ohnmacht des Parlaments

23.11.2021

Das Feature gibt es hier zum Nachhören bei Deutschlandfunk Kultur [1]

Einer, der sich in der vergangenen Legislaturperiode einen besonderen Namen für die parlamentarische Kontrolle der Regierung gemacht hat, ist der ehemalige Linken-Abgeordnete Fabio De Masi. Er wurde vor allem als Aufklärer im Skandal um den kollabierten deutschen Finanzdienstleister Wirecard bekannt und war Obmann des Untersuchungsausschusses. Er war der Erste, der in dem Fall eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung stellte. Als der Skandal offenbar wurde, befragten De Masi und seine Kollegen im Untersuchungsausschuss in sechs Monaten über 100 Zeuginnen und Zeugen und zeichneten nach, wie die deutsche Finanzaufsicht Bafin den Märchen des Unternehmens auf den Leim ging.  

„Das war sicherlich ein Erfolg in der parlamentarischen Arbeit, aber es war auch kein Erfolg in dem Sinne, dass ich jetzt sagen könnte, die Kleinanleger haben ihr Geld zurück, sondern es war eher ein Erfolg, dass nach den ganzen Maskenskandalen und Korruptionsaffären die Leute gesehen haben, es gibt auch noch Abgeordnete, die überparteilich ihren Job machen und wirklich versuchen, ein Stück weit im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine Art Gerechtigkeit herzustellen und das aufzuklären. Wenn man das aber vom Ende her betrachtet, kann man sagen, jetzt ist der Mann Kanzler geworden, der mit dem Skandal eng verknüpft war, obwohl die Opposition ihr gesamtes Gewicht dahinter gelegt hat.“ 

Wirecard galt lange als deutsches Vorzeigeunternehmen. Und daran sollte offenbar nicht gerüttelt werden. Die „Financial Times“ hatte schon länger über Unregelmäßigkeiten bei Wirecard berichtet. Auch De Masi erhielt Hinweise. Anstatt die Vorwürfe aufzuklären, verteidigte die Bafin das Unternehmen und erstattete Anzeige gegen die Financial-Times-Journalisten. Sie sollten mit Spekulanten unter einer Decke gesteckt haben. Für De Masi ist das Vorgehen der Bafin ungeheuerlich.  

„Gerade dann brauche ich eine gute Aufsicht, die im Zweifel auch mal auf den Busch klopfen kann. Und für die ist das Finanzministerium verantwortlich. Und nicht nur der Finanzminister, die Bundeskanzlerin hat in China für das Unternehmen lobbyiert. Aber entscheidend ist doch eines: Bei der Geldwäsche und bei der Finanzaufsicht gab es ganz viele Hinweise. Und die Finanzaufsicht hat das Unternehmen abgeschirmt, sogar Journalisten verfolgt. Und die Geldwäscheaufsicht hat auch gepennt.  

De Masi hat viel Zuspruch für seine Aufklärungsarbeit erhalten, auch von Abgeordneten anderer Fraktionen. Für den Bundestag hat er nicht noch einmal kandidiert. Das erklärt er auch damit, dass er zwar Missstände aufdecken, aber wegen der Schwäche seiner Partei keine Alternative bieten konnte. 

„Kontrolle von Regierungsmacht ist einerseits Informationen ans Licht bringen und sie den Leuten erklären. Das ist aber nur eine notwendige und keine hinreichende Bedingung. Es muss auch Akteure geben, die dann eine Alternative verkörpern.“ 

Forderung nach mehr Transparenz

Die Linke hatte in der Zeit der Großen Koalition gemeinsam mit den Grünen und der FDP mehr Transparenz gefordert. Die Bundesregierung müsse dem Parlament häufiger Rede und Antwort stehen, ihre Politik erklären, forderten die Parlamentarier. Nun werden Grüne und FDP voraussichtlich Teil der neuen Regierungskoalition. Ob sie noch dazu stehen, was sie als Oppositionsparteien selbst gefordert haben? De Masi rät seiner eigenen Fraktion, hier nachzuhaken. 

„Das ist der Lackmustest, das wird jetzt meine Fraktion sicher auch machen, dass man mal die guten Verbesserungsvorschläge zur Kontrolle von Regierung von FDP und Grünen in dieser Legislaturperiode einbringt. Und wir sind dann mal gespannt, wie viele sie davon unterstützen. Natürlich werden ganz viele davon abgelehnt von der Ampelkoalition, weil es das eigene Regierungshandeln beschneidet.“ 

 

Links:

  1. https://www.deutschlandfunkkultur.de/nach-der-aera-merkel-100.html