Knast für Gier-Banker „Jetzt werden die Handschellen noch öfter klicken“

Fabio De Masi im Gespräch mit der Hamburger Morgenpost über Cum-Ex und was die Haftstrafe für Warburg Banker für Olaf Scholz & Co bedeutet.

03.06.2021
Das Cover der Hamburger Morgenpost

Dieses Cum-Ex-Urteil sorgt für Aufsehen! Das Landgericht Bonn verhängte am Dienstag gegen den früheren Generalbevollmächtigten der Hamburger Warburg-Bank eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen. Die MOPO sprach mit dem Hamburger Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi (Linke), warum dieses Urteil so brisant ist und was das für die Hamburger Politik bedeutet.

De Masi ist ein Experte, wenn es um organisierte Kriminalität geht. Unter anderem sitzt er im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Wirecard Skandal.

Der in Bonn verurteilte Christian S. war die rechte Hand des langjährigen Bankchefs und Warburg-Mitinhabers Christian Olearius. Durch sogenannte Cum-Ex-Geschäfte sollen sich die Beteiligten 325 Millionen Euro an Steuergeld ergaunert haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Verteidiger der Bank erwägen, in Revision zu gehen.

MOPO: Herr De Masi, warum ist das Urteil so brisant?

Fabio De Masi: Es ist das erste Mal, dass ein Cum Ex Bankster (Wortkombi aus „Banker“ und „Gangster“, d. Red.) hinter schwedische Gardinen muss. Bei Cum-Ex-Geschäften wurden durch das Hin- und Herschieben von Aktien die Erstattung von Kapitalertragsteuern beantragt, die gar nicht gezahlt wurden. Das ist Diebstahl.

Der Richter sendet eine klare Botschaft. Gangster im Nadelstreifen sind wie ganz gewöhnliche Kriminelle zu behandeln. Alleine bei der Staatsanwaltschaft Köln sind in 68 Ermittlungsverfahren über 880 Beschuldigte erfasst. Da werden die Handschellen noch öfter klicken.

Was bedeutet dieses Urteil für den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz?

Das ist die politische Höchststrafe. Denn Olaf Scholz hat sich ja in seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs mehrfach mit Warburg Bankier Olearius - der damals bereits Beschuldigter war — zu Cum-Ex-Steuerverfahren der Warburg Bank besprochen.

Er hat dies später damit begründet, der Beschuldigte habe sich um Hamburg verdient gemacht. Er hat damals Olearius angerufen und aufgefordert, ein Schreiben der Warburg Bank an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Tschentscher weiterzuleiten.

Also hat das Urteil auch Bedeutung für Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD)?

Das Schreiben wanderte mit Anmerkungen von Tschentscher runter in die Finanzverwaltung, obwohl es dort schon vorlag und Steuerverfahren unabhängig von der Politik sein müssen. Am Ende widersetze sich eine Finanzbeamtin gegen den Willen der Betriebsprüfer dem Bundesfinanzministerium und wollte Steuerforderungen über 43 Millionen Euro zum Nachteil Hamburgs verjähren lassen. Scholz und Tschentscher saßen also indirekt mit auf der Anklagebank.

Muss jetzt auch der langjährige Bankchef Christian Olearius fürchten, im Knast zu landen?

Absolut. Denn der Richter hat in einem früheren Verfahren Aussagen in einem sogenannten „obiter dictum“ getätigt. Damit wird etwas nebenbei gesagt, das in dem jeweiligen Prozess nicht unmittelbar für die Entscheidung relevant ist. Er hat dort bereits Ausführungen zu dem im aktuellen Prozess Verurteilten Christian S. getätigt und dort bereits klar gemacht, dass der wusste, was er tat.

In dem selben „obiter dictum“ lässt sich der Richter auch zu Herrn Olearius aus. Mit dem jetzt gefällten Urteil gegen Christian S. dürfte Herr Olearius sehr schlecht schlafen. Und jede schlechte Nacht für Herrn Olearius ist eine gute Nacht.

Was bedeutet das Urteil für die Steuerzahlenden?

Auch in diesem Verfahren muss wohl eine Strafe an die Staatskasse abgeführt werden. Hier ging es aber vor allem um die Haftstrafe. Ein wichtigeres Urteil wurde vom selben Richter aber bereits gesprochen, wo im Strafprozess steuerlich verjährte Tatbeute der Warburg Bank von 170 Millionen Euro eingezogen wurde.

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Dies ist mittlerweile auch durch Gesetzesänderungen möglich und wichtig, um abzuwenden, dass dem Staat das Geld aufgrund von Verjährung durch die Lappen geht. Denn die kriminellen Cum-Ex-Geschäfte und die etwas anders gelagerten Cum-Cum-Geschäfte haben den Staat etwa 30 Milliarden Euro gekostet.

Wie kann es sein, dass der größte Steuerraub der Geschichte erst von Richtern aufgeklärt wird und nicht von der Politik? Hatten die Regierenden da kein Interesse?

Die Politik hat sogar unter dem Einfluss der Bankenlobby Gesetze so angepasst, dass technische Schlupflöcher für Cum-Ex-Geschäfte erweitert wurden und der Betrug weiter lief, bis mutige Richter und Staatsanwälte einschritten.

Auch in Hamburg?

In Hamburg spendete die Warburg Bank an die SPD. Und das Mitglied des Hamburger Untersuchungsausschusses zur Warburg Affäre, Milan Pein, wollte mit parlamentarischen Anfragen bis zuletzt die Glaubwürdigkeit der Hamburger Finanzbeamtin P. stützen.

Die Anwälte von Warburg — Ex-CSU-Politiker Gauweiler und Ex-Bundesrichter Thomas Fischer — wollten sogar den Richter für befangen erklären und den Prozess zum Platzen bringen. Dabei beriefen sie sich auf ein Telefonat zwischen dem Richter und dem Leiter des Arbeitsstabes des Untersuchungsausschusses, in dem es um die Meinung des Richters über die Hamburger Finanzbeamtin ging. Das heisst, es könnte sogar Politiker geben, die Warburg bis heute mit Informationen aus dem Untersuchungsausschuss versorgen. 

Links:

  1. https://www.mopo.de/hamburg/cum-ex-skandal-tagebuecher-eines-privatbankiers-bringen-scholz-in-bedraengnis-37297974