Tagesspiegel: Wer wusste was über diesen Mann?

Eine Presseschau mit Fabio De Masi

01.09.2020

Tagesspiegel: Wer wusste was über diesen Mann? 01.09.2020, S.13

 

"Jan Marsalek muss gemerkt haben, dass es für ihn eng wird. Vier Tage bevor Wirecard Luftbuchungen über 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz zugeben musste, setzte sich das frühere Vorstandsmitglied des Zahlungsdienstleisters ab. Von Klagenfurt flog er mit einem Privatjet erst nach Tallin, die Hauptstadt Estlands, und dann weiter in die belarussische Hauptstadt Minsk. Mittlerweile soll Marsalek auf einem Anwesen westlich von Moskau untergebracht sein. Dort stehe er nicht mehr unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes GRU, sondern unter Kontrolle des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, erfuhr das Handelsblatt von Bekannten des Geflüchteten, die aus Gründen ihrer eigenen Sicherheit nicht namentlich genannt werden wollen. Der SWR habe auch darauf bestanden, Marsalek aus Belarus wegzubringen, nahe der russischen Hauptstadt sei es für ihn "sicherer als dort“. Marsalek habe die Zusicherung erhalten, nicht ausgeliefert zu werden.

Wirecard und die Geheimdienste – das ist ein bisher wenig ausgeleuchtetes Kapitel des facettenreichen Wirtschaftskrimis. Die Bundesregierung hat in ihren Unterlagen für das Parlament bisher stets auf Nicht-Kenntnis verwiesen: "Dem Bundesnachrichtendienst liegen keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zur Wirecard AG vor“, heißt es dort. Und auch die Antwort auf eine neue Anfrage des Linken-Finanzexperten Fabio De Masi erklärt: "Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst liegen keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zu Jan Marsalek vor.“ (...)

Der Linken-Finanzexperte de Masi kritisiert mangelndes Engagement der Bundesregierung. Zwar habe das Bundeskriminalamt Fahndungsplakate verteilt. "Aber wenn sich Herr Marsalek tatsächlich in Russland aufhalten sollte, müsste doch eher ein Auslieferungsantrag gestellt werden.“"