Deutschlandfunk: „Im Grunde brauchen wir eine Bilanzpolizei“

Eine Presseschau mit Fabio De Masi

27.06.2020

Deutschlandfunk: „Im Grunde brauchen wir eine Bilanzpolizei“

"Nach dem Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard hat der finanzpolitische Sprecher der SPD, Lothar Binding, mehr Befugnisse für die Aufsichtsbehörden gefordert. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht habe gut gearbeitet, sie habe aber nicht genügend Reichweite, sagte Binding im Dlf.

Der bayrische Finanzdienstleister Wirecard hat am Donnerstag Insolvenz angemeldet. In der Bilanz fehlen 1,9 Milliarden Euro. Der Konzern geht davon aus, dass das Geld bei zwei philippinischen Banken gar nicht existiert. Die Staatsanwaltschaft München I wirft dem vergangene Woche zurückgetretenen Wirecard-Chef Markus Braun vor, mit weiteren mutmaßlichen Tätern die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben. Über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard hatte die britische „Financial Times“ erstmals vor über einem Jahr berichtet. Braun hatte die Berichterstattung der Zeitung über Monate als haltlos zurückgewiesen. Da es schon nach den ersten „FT“-Artikeln zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten die Finanzaufsicht BaFin und die Münchner Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet, ob Kursmanipulationen von Börsenspekulanten dahinter steckten. (...)

Binding: Ja, der Vorgang ist ein Desaster, das ist völlig klar, aber die BaFin prüft ja die Bank, und die Wirecard-Bank geht ja auch nicht in Insolvenz. Da liegen die Bilanzen vor, die sind ganz schwierig. In Insolvenz geht die Wirecard AG, und die BaFin hat kein Selbsteintrittsrecht in die Prüfung der Wirecard AG, weil das keine Bank ist. Da müssen wir überlegen, was international passiert, denn die Wirecard AG, sofern sie Bankgeschäfte international gemacht hat, hat sich ja dritter Institute im Ausland bedient, und da kommt die BaFin nicht dran.

Darüber müssen wir nachdenken, ob dieser Umweg über Auslandsbeteiligte dann auch diesen Skandal möglich gemacht hat. Insofern, soweit die Reichweite der BaFin geht, hat sie ordentlich gearbeitet, aber ich würde sagen, nicht effizient, nicht aufmerksam genug. Von daher, da ist so eine Grenze, die sich nicht ganz leicht bestimmen lässt. Gleichwohl, wir müssen da gesetzlich etwas tun.

Rohde: Fabio De Masi von der Linken sieht das etwas anders, er sagt nämlich, die BaFin kann sehr wohl gegen den ganzen Konzern vorgehen, hat das auch getan, nämlich über die Wertpapiere. Das heißt, sie kann das durchaus, aber wollte das lange nicht.

Binding: Das ist schwierig, weil wir haben ja ein zweistufiges Verfahren – das ist so ähnlich wie in Österreich und Schweden –, über das wir nachdenken müssen. Wenn die BaFin aktiv werden will, dann muss sie erst mal … (...)"

 

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