Deutsche lagern Milliarden im Ausland

Der steuerliche Informationsaustausch hat große Lücken. Auswertung der Antwort der Bundesregierung vom 15.06.2020 auf die Kleine Anfrage „Automatischer Informationsaustausch in Steuersachen" (BT-Drs. 19/13797) von Fabio De Masi u.a.

24.06.2020

Zusammenfassung/Kontext:

Seit einigen Jahren nimmt Deutschland Teil an internationalen Vereinbarungen zum automatischen Austausch von steuerlichen Informationen zwischen Finanzverwaltungen. Der Informationsaustausch soll dabei helfen, Steuerhinterziehung von Reichen im Ausland und Steuertricks von Konzernen zu enttarnen und wirksamer zu bekämpfen. Die Behörden teilen Informationen zu Geldvermögen auf Bankkonten, aber auch z.B. Erträge wie Zinsen und Dividenden, die Deutsche im Ausland oder ausländische Steuerpflichtige in Deutschland erhalten. Auch die wirtschaftlichen Kennzahlen und Steuerdeals von internationalen Konzernen werden ausgetauscht – oder zumindest Teile davon.

Das ist genau das Problem: nicht alle Daten werden übermittelt. Die Vereinigten Staaten liefern permanent weniger Daten, als sie erhalten. Die Anzahl und Daten und die Höhe der Summen sind im Vergleich zu der Wirtschaftskraft der USA zu niedrig.

Im Jahr 2018 haben Deutsche über mehr als 590 Milliarden Euro auf Auslandskonten verfügt. An den Zahlen ist erkennbar, dass viele deutsche reiche Individuen und Firmen erhebliche Geldvermögen in Steueroasen wie Luxemburg und den Niederlanden parken. Es ist besorgniserregend, dass Länder wie das Vereinigte Königreich, Isle of Man, Bermuda oder die Kaimaninseln der Veröffentlichung der Daten widersprechen. So verhindern sie Transparenz und schützen Steuerkriminelle.

Überdies ist zur korrekten Besteuerung der Personalmangel in den deutschen Finanzämtern zu beseitigen, wie unsere frühere Anfrage zeigt.

 

Kommentar von Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion

"Der Informationsaustausch erhöht das Entdeckungsrisiko reicher Steuersünder und ist daher ein Fortschritt. Doch es gibt weiterhin erhebliche blinde Flecken. Die USA sind die größte Volkswirtschaft und der größte Finanzplatz der Erde. Sie sind das schwarze Loch beim steuerlichen Informationsaustausch. Seit Jahren liefern die USA weniger Daten, als sie von anderen Ländern bekommen. Der Ausstieg der Trump-Regierung aus den OECD Gesprächen über eine Digitalbesteuerung zeigt, dass die EU das gesamte Gewicht des europäischen Marktes nutzen muss. Die EU muss Finanzflüsse von Amazon und Co in Steueroasen an der Quelle besteuern. Dies ist die einzige Sprache, die Trump versteht. Wenn Deutschland aus Furcht vor Strafzöllen weiter "Good Cop" und Frankreich "Bad Cop" spielen, wird Europa gespalten und einzelne Länder können durch die USA unter Druck gesetzt werden.“ 

„Das Vereinigte Königreich und weitere Steueroasen wollen die statistischen Daten nur unter Geheimhaltung offenbaren. Die Volumina, die mit den Niederlanden oder Luxemburg ausgetauscht werden und im Verhältnis zur Wirtschaftskraft sehr hoch sind, zeigen, wie einige EU Steueroasen die Vermögenden anziehen wie das Licht die Motten. Der Informationsaustausch ist daher eine Voraussetzung, aber kein Ersatz für die Schließung von Steuerschlupflöchern.“

 

Ergebnisse im Einzelnen:

  • Dies ist eine der ersten nach Ländern aufgefächerten Veröffentlichung von Daten zum steuerlichen Informationsaustausch seitens der Bundesregierung. Diese Ergebnisse sind also ein großer Fortschritt und auch ein Erfolg des steten parlamentarischen Drucks.
  • Im Zeitraum 2014-2018 ist die Anzahl der von Deutschland an die USA übermittelten Konten gestiegen (um 112%). Allerdings sind die Geldsummen gesunken (um -84%) (Anlagen 1 und 2). Mögliche Erklärungen sind, dass US-Amerikanische Eigentümer von großen Vermögen sich nach Einführung des Common Reporting Standards angepasst haben, ihre Staatsbürgerschaft zurückgegeben haben, ihre Auslandskonten gekündigt haben, oder dass Unternehmen ihre Vermögen in Ländern mit weniger Kontrollen oder niedrigeren Steuersätze verlagert haben.
  • Es gibt einen starken Rückgang bei der Anzahl von Konten, die von den Behörden in den USA an deutsche Behörden übermittelt werden – selbst bei der Annahme, dass die Zahl im ersten Jahr aufgrund von Altfällen deutlich höher ist (Anlage 3). Dies ist schwer zu erklären, insbesondere im Falle der Konten für nicht-natürliche Personen, denn insgesamt gab es ein starkes Wachstum an zugeflossenen Geldern in den letzten Jahren, wie auch Anlage 1 zeigt. Die USA sind nicht zur Übermittlung von Kontosalden verpflichtet, sodass nur die Anzahl der Konten, aber nicht die Höhe der Kontostände ersichtlich ist, was Transparenz verhindert (Anlage 4).
  • Die USA übermitteln weniger Daten an Deutschland, als sie von Deutschland erhalten. Die unzureichende Einhaltung der Gegenseitigkeit bei der Datenübermittlung seitens der USA wurde mehrmals von NGOs und sogar der OECD aufgezeigt. In der Antwort auf Frage 9 geht die Bundesregierung nicht auf diese Tatsache ein.
  • Im Vergleich zu anderen, viel kleineren Ländern ist die Anzahl der Übermittlungen von Konten aus den USA an Deutschland relativ klein, was nicht der wirtschaftlichen Realität zu entsprechen scheint (Anlagen 3 und 5)
  • Isle of Man (bekannte Steueroase), Kanada und Südkorea haben der Offenbarung der Daten widersprochen. Aserbaidschan, das Vereinigte Königreich, Bermuda und die Kaimaninseln (letztere sind Teil der Schwarzen Liste der EU für Steuerparadiese) haben die Informationen zu den Konten nur als vertraulich zugesandt, sodass deren Veröffentlichung nicht möglich ist (Anlagen 5 und 6).
  • Deutsche lagerten über 125 Milliarden Euros auf Konten in Luxemburg im Jahr 2018. In der Schweiz waren es mehr als 133 Milliarden. Spitzenreiter ist Jersey, wo fast 181 Mrd. Euro geparkt wurden (Anlage 6).
  • Insgesamt wurden deutsche Kontosalden im Ausland auf 591 Mrd. Euro und deutsche Erträge im Ausland auf 121 Mrd. Euro beziffert (Anlage 6).
  • Die im Vergleich zu der Wirtschaftskraft und Bevölkerung unverhältnismäßige Anzahl der übermittelten Kontenstände und die Höhe der Kontosalden in Ländern wie Luxemburg, den Niederlanden, die Schweiz oder Lichtenstein deutet auf die Verlagerung von Vermögen in diese Länder zur Steuerhinterziehung hin. Dies ist insbesondere deshalb besorgniserregend, weil einige dieser Länder EU-Mitgliedstaaten sind und daher dem Europäischen Binnenmarkt angehören. Allerdings kann man an diesen Zahlen den Wert des Informationsaustausches sehen, der für eine Besteuerung der Vermögen als Grundlage genommen werden könnte (Anlagen 5 und 6).
  • Mit 60 Mrd. Saldo und 11 Mrd. Erträgen sind die von Deutschland an Drittstaaten übermittelte Daten relativ gering, da Schätzungen die Geldvermögen von Eigentümern aus Nicht-EU Staaten in Billionen-Höhe beziffern (Anlage 8).
  • Die Summe der Erträge von Niederländischen Personen und Firmen in Deutschland ist extrem hoch: im Jahr 2018 waren es über 210 Mrd. Euro (Anlage 8).
  • Mit Ausnahme von den Niederlanden ist die Anzahl der von Deutschland übermittelten Daten gering, was die Frage stellt, ob deutsche Banken tatsächlich bereits alle relevanten Posten erfassen, oder ob Schlupflöcher beim CRS benutzt werden. Der geringe Umfang der Prüfung seitens des BZSt, der teilweise auf Personalmangel zurückzuführen ist (Antwort 35 in  Dokument 2019/0825698), kann auch eine mögliche Erklärung für die niedrigen übermittelten Zahlen sein.
  • Ein Steuervorbescheid („tax ruling“) ist eine Bestätigung durch Steuerbehörden gegenüber Steuerzahlern darüber, wie die Steuerschuld zu berechnen ist. An sich sind diese Bescheide legal, allerdings werden sie problematisch, wenn sie aggressive Steuerplanungstechniken ermöglichen oder sogar dazu anleiten (indem sie beispielsweise zeigen, wie man im Rahmen des Gesetzes niedrigere Steuern in einem gewissen Land zahlen kann). Die Niederlande ist das Land, das die meisten Steuervorbescheide mit Bezug zu Deutschland hat. Der Zusammenbruch der Bescheide in Luxemburg ist wahrscheinlich eine Konsequenz des LuxLeaks Skandals, und öffnet die Frage, ob das Land wohl jetzt andere Methoden nutzt, um Firmen vorteilhafte Steuerstrukturen zu ermöglichen (Antwort auf Frage 7).
  • Der spontane Austausch von länderbezogenen Berichten zwischen Deutschland und den USA ist mit 842 für das Geschäftsjahr 2016 und 654 für 2017 relativ gering.

Downloads