Sparkassen Zeitung: Europa braucht seine eigene Digitalwährung

Ein Interview mit Fabio De Masi in der Zeitung der Sparkassen

02.04.2020
Fabio De Masi: "Geld ist ein öffentliches Gut."

Als Folge der aktuellen Coronakrise wird ein Digitalisierungsschub erwartet. Das Kontaktloszahlen per Karte oder Handy hat einen Schub bekommen. Wird das Bargeld nun überflüssig?

Fabio De Masi: Das Bargeld sollte vor allem aus zwei Gründen nicht abgeschafft werden. Erstens steckt hinter dem Bargeld Schutz von Privatsphäre. Im Rahmen der Geldwäschebekämpfung sollten zwar Immobilienkäufe mit Bargeld begrenzt sein, aber der Staat oder Banken müssen nicht über jede kleine Transaktion der Bürger Bescheid wissen. Zweitens steht hinter dem Bargeld die Sicherheit der ausgebenden Zentralbank. Banken können pleitegehen, bei Sparkassen liegt die Hürde aufgrund der Institutssicherung wesentlich höher, aber bei der Notenbank ist dies in der eigenen Währung immer ausgeschlossen. Denn die Notenbank hat das Geldmonopol.

Selbst zum Euro oder Dollar gibt es reine Digitalwährungen als Alternative: Bitcoin oder das Facebook-Geld Libra. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

De Masi: Die technologischen Entwicklungen führen dazu, dass mit dem Mobiltelefon etwa per Apple Pay gezahlt wird. Dahinter steckt aber auch eine Gefahr. Wir können unser Geld nicht den großen Technologiekonzernen überlassen. Facebook hat keine Bankfilialen, schon gar nicht in Deutschland auf dem Land. Finanzangelegenheiten regeln zu können, gehört aus meiner Sicht schon zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Konzerne wie Facebook sammeln unglaubliche Datenmengen über unser Nutzungs- und dann auch Zahlverhalten. Zweitens haben sie mit weltweit teils Milliarden Nutzern eine Marktmacht, die das Finanzsystem in den Abgrund ziehen und Währungen von Entwicklungsländern unter Druck setzen könnte.

Die technologische Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen.

De Masi: Nein und das soll sie auch nicht. Geld ist aber ein öffentliches Gut. Wir sollten in diesem Bereich Technologieführer bleiben und selbst dafür sorgen, dass wir in Europa eine digitale Währung haben. Sparkassen sollten nicht der Marktmacht von Apple und anderen Technologiekonzernen ausgeliefert sein.

Wieviel Kontrolle und Einfluss haben Staaten und Aufsichtsbehörden im Bereich dieser Digitalwährungen überhaupt?

De Masi: Die Diskussion um staatliche Digitalwährungen hat durch Libra und jetzt in der Coronakrise nochmals an Fahrt aufgenommen. Digitale Zahlungen sind in der Krise gegenüber den Bargeldzahlungen in den Geschäften ein deutlicher Vorteil. Die EU ist ein großer Wirtschaftsraum und kann Libra untersagen. Als Bundestagsabgeordneter habe ich aber wenig Einfluss oder Kontrolle über die Einführung digitaler Währungen. Das ist Aufgabe der Geldpolitik und somit der Zentralbank. Allerdings tauschen wir uns mit der Bundesbank, der EZB und internationalen Experten zu dem Thema aus.

Die EZB und Finanzexperten diskutieren zudem den digitalen Euro. Was ist das Neue bei dieser Diskussion und ist nicht der Euro für die meisten digital im Konto oder auf der Karte?

De Masi: Immer mehr Bezahlvorgänge werden digital durchgeführt, Bargeld tritt damit etwas in den Hintergrund. Die digitalen Privatwährungen wie Bitcoin sind aber nicht besichert und die Geldschöpfung von Bankenbirgt ebenfalls Risiken. Deswegen wird eine von der Zentralbank ausgegebene Digitalwährung diskutiert, das wie Bargeld von der Zentralbank abgesichert ist. Dazu müsste ein eigener technologischer Standard geschaffen werden, um etwa internationale Zahlungen schneller abzuwickeln. Dies würde auch vermeiden, dass große Technologiekonzerne sämtliche Zahlungsinformationen der Bürger abgreifen.

Damit einhergehend wird überlegt, ob nicht Konten direkt bei der EZB geführt werden können. Was spricht aus Ihrer Sicht dafür oder dagegen?

De Masi: Wir sollten das ernsthaft prüfen. Momentan haben nur Banken Konten bei der EZB, Bürger nicht. Das war schon mal anders. Die Sorgen von Banken und Sparkassen vor diesem Schritt verstehe ich aber. In einer Krise wie jetzt könnten die Menschen plötzlich ihr Geld in die sicheren EZB-Konten verschieben. Damit hätten wir die nächste Bankenkrise. Das wäre nicht sinnvoll. In der aktuellen Situation kann ich mir das nicht vorstellen.

Sondern?

De Masi: Zunächst brauchen wir einen digitalen Euro für Geschäftskunden. Danach könnte man solche Konten, eventuell mit einer Grenze für Guthaben bei der EZB prüfen. Ich glaube auch, dass risikoärmere Institute wie die Sparkassen davon eher profitieren würden und riskantere Geschäftsmodelle der Universalbanken stärker unter Druck kämen. Was aktuell ebenfalls nicht denkbar wäre, ist eine Verzinsung der Gelder auf solchen EZB-Konten. Hier müsste ein Zinsabstand zu den Geschäftsbanken garantiert sein.

Was wäre denn ein Beispiel für den Vorteil solcher Konten?

De Masi: In den USA wird derzeit als Reaktion auf die Coronakrise ein sogenanntes Helikoptergeld diskutiert. Wenn die Wirtschaft in einer Krise unter mangelnder Nachfrage leidet, weil die Menschen schlicht kein Geld für den Konsum haben, könnte die Zentralbank per Knopfdruck den Bürgern Geld überweisen. Das geht nur, wenn es ein zentrales Verzeichnis gibt, wie alle Bürger erreicht werden können. Derzeit könnten wir das im Euro-Raum nicht.

In der Krise kommt auch die Diskussion auf, ob das Kapital zu wenig an den Kosten beteiligt ist. Bringt das der Debatte um die Einführung einer Finanztransaktionsteuer Aufschub?

De Masi: Ich befürworte die Einführung der Finanztransaktionsteuer, allerdings nicht im Zusammenhang mit der Coronakrise. Da sind zurzeit andere Themen wichtiger, gerade wenn man die Panikreaktionen an den Börsen sieht. Ich habe mich beispielsweise für ein zumindest zeitweiliges Verbot gedeckter Leerverkäufe ausgesprochen oder für eine Aussetzung des Hochfrequenzhandels. Bei Panikverkäufen können Hedgefonds, die auf fallende Kurse setzen, selbst gesunde Unternehmen gefährden.

Das heißt Finanztransaktionsteuer aufgeschoben, aber nicht aufgehoben?

De Masi: Ja. Ich glaube, diese Steuer wäre sinnvoll, weil sie mit einem kleinen Satz die Anzahl von Transaktionen besteuert. Damit belastet sie gerade viele Umsätze, die keine realwirtschaftliche Bedeutung haben wie etwa den Hochfrequenzhandel oder den Derivatehandel. Der Großteil dieser Geschäfte ist pure Spekulation und das sollte verteuert werden. Das würde dem Staat mehr Einnahmen bringen und gleichzeitig mehr Finanzstabilität bringen.

Die Bundesregierung hat ja einen Vorschlag dazu gemacht…

De Masi: Genau der scheint mir nicht sinnvoll, weil dies eine reine Aktiensteuer wäre. Große Universalbanken, die viel mit Derivaten handeln, wären von dieser Steuer ausgenommen. Kleine Privatanleger, die Aktien oder Aktienfonds kaufen, wären dagegen wenn auch sehr moderat belastet. Das würde die Idee der Finanztransaktionsteuer diskreditieren, denn die sollte gerade nicht Kleinanleger, sondern große Spekulanten treffen. Österreich oder die Niederlande haben zudem eingewandt, dass die ganze Umsetzung einer solchen Steuer sich für sie nur dann lohnen würde, wenn sie breit angelegt sei und nicht auf Aktien beschränkt.

Wie digital sind Sie selbst in Finanzangelegenheiten unterwegs und wo haben Sie lieber das persönliche Gespräch oder das Bezahlen mit Bargeld?

De Masi: Das meiste erledige ich tatsächlich im Online-Banking. Ich bin auch Sparkassenkunde und bin das aus Überzeugung. Ich zahle auch viel mit der Girokarte. Was ich bislang nicht nutze ist Apple Pay. Trotzdem muss ich schon aufgrund meines Berufsalltags viel digital erledigen, weil ich etwa selten an einem Geldautomaten vorbeikomme. Die Filiale besuche ich selten, dafür nutze ich Telefon- und Online-Banking. Aber es ist wichtig, dass es weiter auch den persönlichen Kontakt und die Beratung des Kunden gibt.