Hamburger Abendblatt: Warum die Hamburger Bilanzprüfer so viel einstellen

Allein die fünf größten Firmen der Branche haben in Hamburg 1350 neue Mitarbeiter gewonnen. Marktmacht hat weiter zugenommen. Eine Presseschau mit Fabio De Masi

13.03.2020
Logos der Big Four

 

"Schon im Foyer des Hamburger Standorts von PricewaterhouseCoopers (PwC) nahe der Kennedybrücke wartet die erste Überraschung: Von denen, die auf dem Weg an ihre Arbeitsplätze bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft sind, trägt praktisch niemand eine Krawatte, nicht wenige sehen eher aus wie IT-Spezialisten – und genau das sind sie auch. „Nur rund ein Drittel unserer gut 1000 Beschäftigten hier arbeiten noch in der klassischen Wirtschaftsprüfung und angrenzenden Bereichen, der weitaus größere Teil ist in der Beratung tätig, viele davon in neuen Feldern wie Cyber-Sicherheit oder Nachhaltigkeit“, sagt Thorsten Dzulko, Standortleiter von PwC Hamburg.

Doch auch die Bilanzprüfung selbst findet heute am Computer statt. „Als ich vor 22 Jahren anfing, haben wir unsere Dokumentation zum Teil noch mit Schere und Pritt-Stift gebastelt und mittels Stichproben versucht, die Nadel im Heuhaufen zu finden“, so Dzulko. Heute verwende man weitgehend digitale Prüfungsprogramme, die sämtliche Buchungen der Mandanten automatisiert auf Auffälligkeiten hin durchleuchten: „Typischerweise ist ein Prozent der Transaktionen auffällig – und die sehen wir uns dann gezielt an.“

Mitarbeiterzahl von PwC in Hamburg um 36 Prozent erhöht

In den zurückliegenden zehn Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl von PwC in Hamburg um 36 Prozent erhöht. Mit diesem kräftigen Wachstum erreicht das Unternehmen in der Branche nicht einmal einen Spitzenwert: Die fünf größten Arbeitgeber der Branche in Hamburg (Ernst & Young, PwC, KPMG, Deloitte, BDO) haben in diesem Zeitraum um 49 Prozent zugelegt. Die Top 6 der Hansestadt (einschließlich Mazars) kommen aktuell auf zusammen 4429 Beschäftigte.

Ganz offensichtlich sind alle diese großen Anbieter auf Kosten kleinerer Kanzleien gewachsen, ihre Marktmacht hat weiter zugenommen. (...)

Die wachsende Macht der „Großen Vier“ – Ernst & Young, PwC, KPMG und Deloitte –, die zusammen weltweit knapp eine Million Mitarbeiter haben, stößt allerdings auch auf Kritik. So stört es Fabio De Masi, den finanzpolitischen Sprecher der Linken im Bundestag, dass diese Gesellschaften zwar „aggressive Steuervermeidungsmodelle“ entwickeln und vermarkten, zugleich aber auch zahlreiche Beratungsaufträge von der Bundesregierung erhalten. „Ob Cum-Ex oder Luxemburg Leaks, immer waren die Big Four dabei. Dies schafft Interessenskonflikte“, findet de Masi.

Zudem prüfen die vier Marktführer die Bilanzen von rund 90 Prozent der börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Die EU-Kommission legte im Jahr 2014 in einer Verordnung fest, dass börsennotierte Firmen nur noch zehn Jahre lang den gleichen Wirtschaftsprüfer für die Bilanzprüfung beauftragen dürfen, außerdem verlangt die EU eine stärkere Trennung von Prüfung und Beratung. (...)"