Weser Kurier: Zwei Lager und zwei Gesichter

Eine Presseschau mit Fabio De Masi

22.10.2019

Weser Kurier: Zwei Lager und zwei Gesichter

"Gegenwärtig beschäftigt sich die Linkspartei vor allem mit selbst und führt in aller Öffentlichkeit selbstmörderische Debatten, meint Politikredakteur Norbert Holst. 

Klares Image, mitreißende Parteichefin, eloquenter Vorsitzender, agile Basis – und kaum Streit in den eigenen Reihen. Wenn man wissen will, was der Linken momentan fehlt, muss man nur zu den Grünen schauen. Während sich die Ökopartei in den Umfragen einstweilen bei mehr als 20 Prozent etabliert hat, erodiert die Zustimmung für Die Linke. Die bietet seit vielen Monaten ein jämmerliches Bild: Ultralinke und Reformer bekriegen sich, Parteiführung und Fraktionsspitze tragen ihre Machtkämpfe in aller Öffentlichkeit aus. Arbeiter, Rentner und Erwerbslose – also die Stammklientel –  wandern zur AfD ab.

Die Quittung ließ lange auf sich warten, kam aber umso heftiger: Bei der Europawahl im Mai landete Die Linke mit enttäuschenden 5,5 Prozent der Stimmen hinter CDU, Grünen, SPD, AfD und CSU nur auf Platz sechs. Besonders bitter: Trotz erheblich gestiegener Wahlbeteiligung bekam Die Linke 112 000 weniger Stimmen als bei der Europawahl 2014. Bei den beiden Landtagswahlen am 1. September gab es dann die nächsten Klatschen. In Brandenburg und Sachsen reichte es jeweils gerade noch für etwas mehr als zehn Prozent. Die Linke als „Stimme des Ostens“, wie es die Vorsitzende Katja Kipping einst formuliert hat, das war einmal. (...)

Die Führungsriege der Linken ist verbrannt. Wagenknecht, gegenwärtig die Galionsfigur ihrer Partei, fühlt sich erschöpft und will den Fraktionsvorsitz aufgeben. Kipping und Riexinger werden kaum Chancen auf eine Wiederwahl im kommenden Jahr eingeräumt, zuletzt wurden sie mit lediglich 64,4 beziehungsweise 73,8 Prozent im Amt bestätigt. Bleibt aus dem engeren Führungskreis nur Fraktionschef Dietmar Bartsch. Doch selbst der ist umstritten, ihm werden Solo-Ambitionen nachgesagt. „Einsame Männerspitze“ gehe gar nicht, heißt es an der Basis.

Doch wer soll es machen? Für den Parteivorsitz werden Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Berlins Kultursenator Klaus Lederer, Fraktionsvize Fabio de Masi und der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte genannt. Als weiblicher Gegenpol zu Bartsch an der Fraktionsspitze könnten die Kipping-Vertraute Caren Lay und die frühere Parteichefin Gesine Lötzsch antreten. Aber können Personallösungen aus der zweiten Reihe die Krise stoppen?

Zudem steht inhaltlich jede Menge Arbeit an. (...)"

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