Von Luxemburg bis Panama

Ein Artikel von Fabio De Masi und Stefan Herweg in der RosaLux

17.07.2016
Fabio De Masi & Stefan Herweg
Luxusjacht

Der Artikel erschien in der RosaLux, dem Journal der Rosa-Luxemburg Stiftung[1] auf Seite 17. Das ganze Journal kann auf der Seite der RLS kostenfrei heruntergeladen werden.

Durch Steueroasen und die Anonymität von Schattenfinanzplätzen entziehen die Reichen und Mächtigen der Allgemeinheit jedes Jahr hunderte Milliarden Euro.

Luxemburg Leaks und Panama-Papers – nur die Spitze des Eisbergs – zeigen zwei Seiten dieser Parallelwelt: auf der einen Seite, wie Steueroasen funktionieren, auf der anderen Seite wie die Regierungen diese Praktiken unterstützen. Die Panama-Papers gaben einen Einblick in die Welt der Briefkastenfirmen und Offshore-Konten, durch die Super-Reiche mit Unterstützung von Banken und Kanzleien ihre Einkünfte und Vermögen der Steuer entziehen.

Die Luxemburg Leaks hingegen illustrieren die Komplizenschaft der Regierungen der Europäischen Union (EU), die internationalen Konzernen wie Apple, Google & Co. durch aggressive Steuerplanung Mini-Steuersätze auf ihre Gewinne ermöglichen: oft unter einem Prozent statt der beispielsweise in Deutschland geltenden 30 Prozent. Aber es geht nicht nur um Abzocke. Bei den Panama-Papers steht Geldwäsche im Mittelpunkt. So vermittelt die Kanzlei Mossack Fonseca ScheindirektorInnen für Briefkastenfirmen (etwa frühere Ehefrauen von Firmengründer Fonseca), um die wahren InhaberInnen, wie die Oetkers und Quandts, zu verdecken. Die Super-Reichen und die Super-Kriminellen sind siamesische Zwillinge. Denn hohe Renditen gibt es meist mit dunklen Geschäften wie Korruption, Bestechung, Drogen-, Waffenoder Menschenhandel. Auch TerroristInnen und Geheimdienste nutzen Briefkastenfirmen, um ihre

Aktivitäten zu verschleiern. Dafür müssen die Super-Reichen und Mafiosi ihr Geld nicht unbedingt nach Panama schicken. Die USA sind mit Bundesstaaten wie Delaware ganz vorne dabei. Dort gibt es einen unauffälligen Flachbau, wo alleine über 200.000 Unternehmen ihre Adresse haben.

Auch Deutschland ist laut Bundeskriminalamt ein Paradies für Geldwäsche. Die Bundesregierung sperrt sich gegen ein öffentliches Register der wahren Inhaber von Briefkastenfirmen. Kontrollen gegen Geldwäsche sind in Deutschland mangelhaft, Strafen für Beihilfe der Banken lächerlich und die Aufsicht durch die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterirdisch. Insbesondere im Immobilienbereich blüht die Geldwäsche in Deutschland. Die Kriminellen erwerben statt der Immobilie oft Anteile einer Objektgesellschaft. Die Anteile lassen sich mit schmutzigem Geld kaufen und für sauberes Geld verkaufen. Dabei wird gleich die Grunderwerbssteuer gespart.

Aber auch im klassischen Bankund Unternehmensbereich herrscht Wilder Westen: Prüfungen großer Finanzunternehmen werden regelmäßig an die Beratungsgesellschaften der Big 4 (Deloitte, KPMG, Ernst & Young, PricewaterhouseCoopers) ausgelagert, die gleichzeitig als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer der Konzerne tätig sind. Die Bundesländer versuchen Unternehmen und Vermögende mit schlechter Personalausstattung bei Betriebsprüfungen anzulocken. Das Bundesland Hessen erklärte gar die

erfolgreichsten Steuerprüfer mit falschen medizinischen Gutachten für verrückt. Zugleich kämpft die Bundesregierung international erbittert gegen Transparenz im Steuerbereich. Die Ausweisung von Unternehmenskennzahlen wie Umsätze, Gewinne, Beschäftigte pro Land – im im Banken – und Rohstoffsektor gang und gäbe – wird mit Hinweis auf Wettbewerbsfähigkeit und Steuergeheimnis blockiert. Auch verhindert wurde öffentliche Einsicht in die durch Lux-Leaks bekannt gewordenen Steuervorbescheide, die ab 2017 in der EU zwischen Steuerbehörden endlich automatisch ausgetauscht werden sollen.

Bei dieser Geheimniskrämerei im Dienste der Finanzkriminalität schließt sich der Kreis: Ohne HinweisgeberInnen (Whistleblower) hätten die Öffentlichkeit, staatliche Verwaltungen und gewählte Parlamentarier noch viel weniger Kenntnis der Schattenfinanzwelt. Statt Menschen wie Antoine Deltour (LuxLeaks) und Rudolf Elmer (Offshore Geschäfte Schweizer Banken) zu schützen, bestrafen die aktuellen Regeln deren Dienst an der Allgemeinheit. Deltour wurde Ende Juni in Luxemburg zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 1.500 Euro Geldstrafe verurteilt, nachdem sein ehemaliger Arbeitgeber, die Beratungsgesellschaft PwC, ihn des Diebstahls und der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen bezichtigt hatte. Elmer kämpft seit vielen Jahren gegen die Schweizer Justiz und die Repressionen durch Privatdetektive und Verleumdung, der er seit seinen Veröffentlichungen der Geschäftspraktiken der Julius Bär Privatbank auf den Kaimaninseln ausgesetzt ist. Die Quelle hinter den Panama-Papers wandte sich kürzlich anonym an die Öffentlichkeit und erklärte, auch aus Furcht vor ähnlicher Verfolgung, nicht offen mit staatlichen Behörden zu kooperieren.

Auf EU-Ebene gibt es regelmäßig warme Worte für HinweisgeberInnen. Gleichzeitig stimmten Sozialdemokraten und Konservative im Europaparlament noch kurz nach der Veröffentlichung der Panama-Papers für eine faktische Absenkung des Schutzes von Whistleblowern in der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Bei ausreichendem politischem Willen wären jedoch nicht nur Lösungen für einen Schutz von Hinweisgebern, sondern auch für mehr Steuergerechtigkeit und das Austrocknen von Steueroasen möglich. Dazu braucht es umfassende Transparenz, unter anderem durch eine umfassende länderspezifische Berichterstattung für alle multinationalen Unternehmen inklusive relevanter Steuervorbescheide, öffentlich zugängliche Register aller tatsächlichen Inhaber von Firmen und eine Wiedererhebung der Vermögenssteuer, um eine wirksame Übersicht über Vermögenswerte und -verteilung zu erreichen. Staaten müssen Finanzkriminalität und Missbrauch effektiv bekämpfen können, durch zusätzliche Steuerbeamte und die Einführung eines wirksamen Unternehmensstrafrechts. Perspektivisch braucht es in der EU und international ein Besteuerungssystem, bei dem es egal ist, ob Konzerne Gewinne und Verluste über Ländergrenzen verschieben, da die Gewinne eines Gesamtkonzerns ermittelt und je nach realer ökonomischer Substanz auf die jeweiligen Länder verteilt werden. Ein Land, in dem der Konzern nur einen Briefkasten unterhält, aber keine Mitarbeiter, hätte dann auch keinen Steuerertrag. Zwingend nötig sind dafür Mindeststeuersätze für Konzerne, weil eine derart harmonisierte Steuerbasis in der EU den Wettbewerb über die Steuersätze sogar anheizen kann. Um solche Veränderungen durchzusetzen, müssten die EU-Verträge geändert werden – denn die rücken bisher Steuerwettbewerb die Freiheit des Kapitalverkehrs in den Mittelpunkt. Kriminell sind nicht nur die Machenschaften der Steuerhinterzieher, sondern auch die Spielregeln der EU.

 

Links:

  1. http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/RosaLux/RosaLux_2-2016.pdf