»Merkel und Co. verkünden Durchhalteparolen wie in Nordkorea«

Fabio de Masi im Gespräch mit der Internetseite der Linksfraktion im Bundestag

05.02.2015
Fabio De Masi

Fabio De Masi, für DIE LINKE im Europäischen Parlament und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, im Interview über die Tour des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras durch Europa, das Werben für eine andere Europapolitik und den Vorwurf an Griechenland, sich auf Kosten der Steuerzahler in anderen Euroländern sanieren zu wollen

Der neue, linke Ministerpräsident Griechenlands, Alexis Tsipras, tourt durch Europas Hauptstädte. Die griechische Regierung hat die Zusammenarbeit mit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) beendet. Die Troika habe Griechenland weiter an den Abgrund geführt. Pokert Griechenland zu hoch?

Fabio De Masi: Nein. Die Troika muss nach Hause gehen. Selbst das EU-Parlament hat festgestellt, dass die Troika illegal war. Wer zudem behauptet, mit der alten Euro-Politik ginge es aufwärts, hat nicht alle Tassen im Schrank. Die Wirtschaft ist seit der Krise um 25 Prozent eingebrochen, die Investitionen um 70 Prozent, die Schulden sind von etwa 125 Prozent der Wirtschaftskraft auf etwa 175 Prozent explodiert, jeder zweite Jugendliche ist ohne Job, Kinder sind traumatisiert und Oligarchen zahlen weiter keine Steuern. Juncker, Merkel und Co. verkünden jedoch weiter Durchhalteparolen wie in Nordkorea. Das ist weltfremd.

Am Mittwoch war Tsipras nun in Brüssel, um EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, zu treffen. Hat Tsipras etwas erreicht?

Alexis hat sicher Tacheles geredet. Aber er hat auch gesagt, man sei auf dem Weg der Einigung. Ich hoffe das sehr. Denn wenn Merkel und Co. Griechenland weiter in die Krise kürzen und mit Gewalt vom Euro abschneiden, verbrennen Sie unsere Steuergelder!

Warum?

Griechenland müsste dann quasi über Nacht eine eigene Währung einführen und den einseitigen Bankrott erklären. Bis zu 80 Milliarden deutscher Kredite für die angebliche Griechen-Rettung wären dann futsch. Dann werden die Zinsen auch in Portugal und weiteren Ländern wieder steigen und das dortige Bankensystem fängt Feuer. Die Suppe dürfen dann wieder die Steuerzahler auslöffeln. Oder die EZB muss dann von den Banken noch mehr Staatsanleihen kaufen. Das kann neue Finanzblasen begünstigen oder – siehe Schweizer Franken – zu Währungsschocks führen.

Aber geht ein Schuldenschnitt, wie ihn der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ursprünglich forderte, nicht zu Lasten der Steuerzahler?

Ja. Allerdings wäre das billiger als weitere Gelder zu verbrennen. Griechenland war bereits 2008 pleite. Das war so, als wenn man einer Freundin mit Schulden, die gerade ihren Job verlor oder deren Lohn gekürzt wurde, rät sich eine Kreditkarte anzuschaffen. Daher betont der griechische Finanzminister immer: Die Deutschen haben schon viel zu viel bezahlt. Das will er beenden.

Was hätte DIE LINKE anders gemacht ?

Wir haben damals gemeinsam mit Syriza einen kontrollierten Schuldenschnitt gefordert. Dieser hätte damals noch die privaten Gläubiger – vor allem deutsche und französische Banken – getroffen. Rentenansprüche die in griechische Staatsanleihen investiert waren, hätte man davon ausnehmen müssen. Und die EZB hätte Griechenland direkt mit zinsgünstigen Krediten versorgen müssen. Jetzt liegen die Schulden natürlich überwiegend bei den Rettungsschirmen beziehungsweise den Steuerzahlern. Es wurden daher nicht griechische Rentner gerettet sondern Deutsche Bank & Co. Über 90 Prozent der Griechenland-Kredite flossen an den Finanzsektor.

Und nun?

Die griechische Regierung will einen Kompromiss. Die Bedienung der Schulden soll an die griechische Wachstumsrate gekoppelt werden. Die EZB soll über einen Anleihetausch einen Teil der Schulden zu niedrigen Zinsen garantieren und die Laufzeiten sollen gestreckt werden. Bei Irland hat man so etwas bereits ähnlich gemacht. Tsipras und Varoufakis streben sogar ausgeglichene Haushalte an, aber eben keine extremen Überschüsse, die die Wirtschaft abwürgen. Jedes Kind weiß: Schulden kann man nur bedienen, wenn man Einkommen erwirtschaftet. Daher muss Griechenland jetzt investieren, nicht weiter kürzen. Zudem brauchen wir EU-weit eine Vermögensabgabe für Millionäre – in Griechenland sowie in Deutschland. Sonst zahlen weiter die kleinen Leute die Zeche.

Aber braucht Griechenland nicht Strukturreformen?

Unbedingt, aber andere. Die Bundesregierung hat doch für die korrupten Eliten in Griechenland Wahlkampf gemacht. Die griechischen Medien-Tycoons haben noch nie Geld für eine Rundfunklizenz gezahlt. Das ist übrigens einer der Gründe, warum Syriza keine Koalition mit der Partei To Potami gemacht hat. Das sind Leute die Griechenlands Berlusconis schützen und bei Bauprojekten Gelder veruntreut haben. Die Troika hat alles geregelt – vom Kündigungsschutz bis zu den Bus-Lizenzen, aber der Saustall beim Steuervollzug wurde nie ausgemistet. Syriza will da aufräumen. Daher ist die Regierung von Alexis Tsipras auch gut für die Mehrheit in Deutschland.

Das Interview erschien zuerst auf der Internetseite der Bundestagsfraktion DIE LINKE.