CCCTB: Der Teufel liegt im Detail

Eine Kolumne von Fabio De Masi auf EurActiv

09.11.2016

EU Staaten verlieren hunderte Milliarden Euro jährlich durch die Steuertricks von Apple, Google, Mc Donalds & Co. Diese Konzerne zahlen in der EU oft weniger als ein Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Die EU ist mit freiem Kapitalverkehr, aber 28 nationalen Steuerregeln ein Paradies für Trickser. Der Artikel erschien am 09.11.2016 auf der Webseite von EurActiv. Eine allgemeine Presseschau zum Thema finden Sie hier und unser detailliertes Briefing zum Thema hier.

Mit fiktiven Krediten oder Lizenzgebühren werden Profite wie Amazon-Pakete in Briefkastenfirmen in den Niederlanden, Luxemburg, Irland oder auch den Bahamas verschoben. So zahlte Apple beispielsweise 2014 gerade einmal 0,005 Prozent Steuern auf seine Gewinne in der EU. Das sind 50 Euro für jede Million Gewinn. Jeder Mittelständler oder jede Sekretärin zahlen mehr Steuern auf ihr Einkommen.

Die EU Kommission ist für Unternehmenssteuern nicht unmittelbar zuständig. Daher muss sie über das Wettbewerbsrecht gehen und nachweisen, dass einzelne Unternehmen illegale Staatshilfen durch faule Steuerdeals erhalten.

Die meisten Transaktionen finden innerhalb eines Konzerns über ein Netz von Tochterfirmen statt. So können etwa über künstlich hohe Lizenzgebühren auf das iPhone Gewinne aus dem Verkauf von Handys in Deutschland in Steueroasen verschifft werden. Der Nachweis, dass diese sogenannten Transferpreise nicht den Marktpreisen entsprechen, ist jedoch aufwendig. Denn oft gibt es für eine Erfindung keinen vergleichbaren Preis und für die tausenden Transaktionen innerhalb der Konzerne fehlt das Personal in den Steuerbehörden.

Die EU-Kommission nutzt die öffentliche Empörung über faule Steuer-Deals mit Konzernen (Luxemburg Leaks) daher, um die Unternehmensbesteuerung neu anzugehen. Die Idee hinter der CCCTB (Common Consolidated Tax Base) hat durchaus Charme. Konzerne sollen innerhalb der EU zukünftig wie eine Einheit behandelt werden, egal wie viele Briefkästen sie haben. Gewinne sollen auf EU Ebene ermittelt und gemäß einer Formel (z. B. Anteil an Gewinnen, Umsatz oder Beschäftigten) auf die EU Staaten verteilt werden. Ein Land mit einer Briefkastenfirma, aber keiner ökonomischer Substanz, ginge leer aus. Dann ist es egal, ob die Gewinne zuerst nach Luxemburg verschoben werden.

Der Teufel steckt jedoch wie so oft im Detail. Deswegen bekommt die CCCTB auch Beifall von Steuer-Hooligans, die von noch mehr Steuerwettbewerb träumen. Der Vorschlag der EU Kommission droht die Steuerbasis nämlich weiter zu verringern. So kann eine Briefkastenfirma etwa bis zu 74 Prozent der Gewinne einer anderen Tochterfirma beziehen, ohne, dass diese zum selben Konzern gezählt werden. Zudem plant die Kommission zuerst die Umstellung auf eine EU-weit harmonisierte Steuerbemessungsgrundlage – also die Angleichung der Steuerregeln – ohne die Reform an die Zustimmung der Mitgliedsstaaten zum zweiten Schritt – der Ermittlung und Verteilung der Gewinne auf EU-Ebene – zu knüpfen. Dadurch wird Konzernen gestattet, Verluste aus einem Land in ein anderes Land abzuziehen. Es sollte das Zuckerbrot aber nicht ohne die Peitsche geben.

Darüber hinaus droht eine Angleichung der Steuerregeln ohne Mindeststeuern den Wettbewerb über die Steuersätze gar weiter anzuheizen. Außerdem werden sinnvolle nationale Abwehrmaßnahmen wie Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen erschwert. Bei Anwendung der CCCTB können Mitgliedsstaaten nicht mehr über die lückenhafte Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie hinaus gehen. Dort fehlen etwa Regeln für fiktive Lizenzgebühren.

Auch andere Maßnahmen gegen aggressiven Steuerwettbewerb kommen nicht vom Fleck. Die schwarze Liste der Steueroasen droht im diplomatischen Desaster zu enden. Verlangt ein Land null Steuern oder fast null Steuern für Konzerne soll dies etwa kein Kriterium für die schwarze Liste sein. Damit wären nicht einmal Länder wie die Bahamas oder Bermuda, die sich auch nicht am internationalen Informationsaustausch beteiligen, als Steueroasen erfasst. Die USA boykottieren ebenfalls weiterhin den automatischen Austausch von Steuerdaten und gestatten Bundesstaaten wie Nevada oder Delaware im Gesellschaftsrecht die systematische Verschleierung von Finanzflüssen. Aber die schwarze Liste würde auch die USA nach bisherigem Sachstand verschonen.

Die öffentliche länderspezifische Berichterstattung der Konzerne über Kennziffern wie Gewinne und bezahlte Steuern soll etwa nur für die Aktivitäten der Konzerne in EU Mitgliedstaaten sowie für die Steueroasen auf der schwarzen Liste einzeln aufgeschlüsselt erfolgen. Somit werden Konzerne ihre Steuertricks einfach in Nevada und Co. abwickeln. Eine schwarze Liste macht darüber hinaus nur Sinn, wenn sie sanktionsbewährt ist. So müssen für Finanzflüsse aus und in Steueroasen Doppelbesteuerungsabkommen gekündigt und Strafsteuern erhoben werden. Banken, die in Schattenfinanzplätzen aktiv sind, ist die Lizenz in der EU zu entziehen.

Zwei Jahre nach der Veröffentlichung der Luxembourg Leaks sind die Fortschritte im Kampf gegen Steuertricks somit ernüchternd. Der Pate des Steuerkartells – EU Kommissionspräsident Jean Claude Juncker – sitzt weiter fest im Sattel. Es gibt zwar öffentlichen Druck, aber die Interessen der Steueroasen und des großen Geldes sind weiter mächtig. Wir müssen aber endlich für Steuergerechtigkeit in der EU sorgen, um gerade in der Flüchtlingskrise in Bildung, Wohnraum, Gesundheit und Infrastruktur zu investieren. Wer den „kleinen Leuten“ das letzte Hemd kürzt, aber Apple und Co. ihre Tricks durchgehen lässt, spielt mit der Zukunft der EU.

Fabio De Masi (DIE LINKE.) ist stellv. Vorsitzender des Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments zu Geldwäsche, Steuerhinterziehung und –vermeidung (PANA).