„So viel Unterhaltung wie Gabriel bietet nicht mal Donald Trump“

Interview mit den Nachdenkseiten

21.09.2016

Fabio De Masi im Interview Albrecht Müller von den Nachdenkseiten über das Freihandelsabkommen CETA, die Rolle der SPD und den Vorwürfen verschiedener Medien die Bewegung gegen die Freihandelsabkommen TTIP & CETA wäre eine rechte Bewegung. Wir dokumentieren das Interview in Auszügen. Das vollständige Interview kann auf den Nachdenkseiten kostenfrei abgerufen werden.

Herr De Masi, am Wochenende gab es bundesweite Großdemonstrationen gegen TTIP und CETA. Bei ersterem sei die Politik in die Defensive geraten, bei zweiterem würde es nun aber ernst: Beim Treffen der Handelsminister in Bratislava am 22. und 23. September soll der Weg für die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung freigemacht werden. Wie stellt der Sachstand bei beiden Abkommen sich aus Ihrer Sicht dar?

Ein Abschluss von TTIP, dem Abkommen mit den USA, ist derzeit wegen der US-Präsidentschaftswahlen unwahrscheinlich. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen. Wirtschaftsminister Gabriel und die EU-Kommission wollen CETA durchdrücken. Die US-Seite ist daher sehr entspannt. Denn CETA, das Abkommen mit Kanada, enthält teils sogar weitergehende Regelungen als bei TTIP angestrebt. Um das Abkommen zu nutzen, reicht es für einen US-Konzern oder EU-Konzerne, eine Zweigniederlassung in Kanada zu unterhalten. Hinzu kommt das Dienstleistungsabkommen TISA. Das soll noch vor den US-Wahlen unter Dach und Fach gebracht werden.

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Was soll das bedeuten, „vorläufig angewendet“?

Dies bedeutet, dass jene Teile, die nicht als nationale Kompetenz betrachtet werden, ohne jede Beteiligung nationaler Parlamente gelten. In Deutschland heißt dies, Bundestag und Bundesrat werden auf unbestimmte Zeit übergangen. Das EU-Parlament darf ohnehin am Ende nur Ja oder Nein sagen. Herr Juncker macht das dann wie Marlon Brando im Mafia Film „Der Pate“: „Ich mache Euch ein Angebot, was Ihr nicht ablehnen könnt!“

Gleichwohl werden Nationalstaaten, Länder und Kommunen erheblichen finanziellen Risiken – etwa durch Konzern-Klagen – ausgesetzt. So ist etwa umstritten, ob die Schiedstribunale mit ihren Wirtschaftsanwälten, die an jedem Verfahren verdienen, in EU-Kompetenz fallen. Der deutsche Richterbund lehnt auch die „Schiedsgerichte light“ in CETA ab, weil sie EU-Recht brechen, und empfiehlt eine Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof. Dazu bräuchten wir aber eine Mehrheit im Europäischen Parlament.

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Inzwischen titeln sogar linke Medien wie Telepolis, die Proteste gegen TTIP und Co. seien ja eigentlich irgendwie rechts, weil die Menschen „nur“ gegen das Abstrakte ankämpften und zu feige wären, grundlegende Veränderungen vor der eigenen Haustür loszutreten. Diese Demagogie a la Querfront wird immer übler und beleidigt den gesunden Menschenverstand von Tag zu Tag mehr. Was meinen Sie: Ist Protest gegen TTIP, CETA und Co. dumm oder rechts?

Nein, dieses absurde Theater ist ja auch nicht neu. Das Selbe hörten wir auch vor dem Irak-Krieg oder dem Krieg in Syrien. Die Kritik daran sei rechts. Je schlimmer die Zustände werden, desto mehr Verwirrung gibt es leider auch manchmal in der Linken. Manche sind vielleicht auch einfach elitär statt demokratisch oder links. Das ist Kindergarten: Linke sind immer damit gescheitert, wenn sie sich für klüger hielten als den Rest. Vor allem wird so der Widerstand gegen Krieg oder für die Demokratie bewusst geschwächt.

Man sehe sich nur mal die Kampagne gegen Jeremy Corbyn im Vereinigten Königreich an. Wer steht da wohl dahinter? Die britische Kampfpresse von Murdoch und Co. und die Labour Abgeordneten, die Tony Blair vermissen.

Wahr ist: Es ist genau diese Politik, die Chaos, Flucht und Angst vor sozialem Abstieg gestiftet und so die Rechte in Europa stark gemacht hat. Wir können doch nicht aufhören, gegen TTIP oder Rohstoff-Kriege zu sein, nur weil manche Rechte das auch sind. Wollen wir Le Pen wirklich dieses Geschenk machen?

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Noch ein letztes Wort?

Niemals aufgeben. Die wollen uns brechen. Wir sind viele.

Ich bedanke mich für das Gespräch."

Das vollständige Interview von Albrecht Müller vom 21.09.2016 können Sie auf den Nachdenkseiten abrufen.